Bewertung

Review: #4.07 Aktionskunst

Foto: Lena Dunham, Girls - Copyright: 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved.
Lena Dunham, Girls
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Das Leben ist in vielen Belangen eine Illusion – entweder, wir machen anderen was vor oder wir machen uns selbst was vor. Gerade in letzterem hat sich Hannah in der Vergangenheit immer und immer wieder als wahre Meisterin entpuppt, entweder weil sie an völliger Selbstüberschätzung litt oder eine riesige Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung bestand. Die Illusion, die #4.07 Ask Me My Name dem Zuschauer zu Beginn vor Augen hält, ist eine ganz erstaunliche: Es ist ein sonniger Tag. Hannah scheint in ihrem neuem Job als Aushilfslehrerin an einem College ihre Berufung gefunden zu haben, stellt mal eben einen Bezug zwischen "Oedipus Rex" und der MILF her (großartig!), klatscht einen Jungen im Gang ab und wird von einem attraktiven Kollegen zu einem Date eingeladen. Das Date läuft perfekt, Hannah und Fran scheinen genau auf einer Wellenlänge zu sein, alles spitze.

Doch die Illusion hält genau sechseinhalb Minuten. Denn als klar wird, dass Hannah ihr Date ausgerechnet zu Mimi-Rose Howards Kunstshow zerrt, verpuffen das vermeintliche Glück und die vermeintlichen ersten Schritte zur Akzeptanz ihrer neuen Situation im Nichts. Hannahs Aufkreuzen auf der Kunstshow ist "Girls"-Chaos vom Feinsten, mit teilweise hohem Fremdschämfaktor und ganz viel Mitleid für Fran. In dem Versuch, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass die Trennung von Adam ihr nichts anhabe, macht Hannah natürlich alles nur noch schlimmer und interessanterweise ist es ausgerechnet Mimi-Rose, die mit ihrem beschwichtigend-manipulativen Wesen die Situation entschärft. Mimi-Rose steht (scheinbar) über den Dingen, will Hannah ernsthaft näher kennen lernen, und ist auch dafür, dass Adam sich mit ihrem Ex Ace (Zachary Quinto!) anfreundet. Jeder kennt so eine Mimi-Rose: Sie steht für die Art von Frauen, die immer alle Leute um den Finger wickeln können und daher von anderen Frauen gleichzeitig gehasst und bewundert werden. Genau so geht es Hannah.

Im Verlauf des verrückten Abends (u.a. wird eine alte Frau angefahren, ein Eis am Stiel geklaut und ein Spontangedicht geschrieben) durchlaufen Hannah und Mimi-Rose gleich mehrere Phasen der Feindschaft, vom Zickenkrieg über die offene Konfrontation bis hin zum Eingeständnis, dass sie beide unsicher sind und keine Ahnung haben, in welche Richtung ihr Leben gehen soll. Gerade Mimi-Roses Geständnis, ihren artistischen Schaffenssinn verloren zu haben und von Zweifeln geplagt zu sein, gibt dieser Figur die nötige Tiefe. Die Illusion der Mimi-Rose wird entlarvt. Und die Widersprüchlichkeit, die Mimi-Rose verkörpert – selbstbewusst und unsicher, launenhaft und standfest, distanziert und empathiefähig, aufrichtig und manipulativ –, macht sie schon nach nur ein paar Episoden interessanter, als es derzeit Marnie, Jessa und Shoshanna zusammen sind.

Denn mal ehrlich: Was für Freundinnen sind das bitte? Gut, Shosh glänzt diesmal durch ihre Abwesenheit, aber Marnie und Jessa sind geradezu Paradebeispiele für richtig schlechte Freundinnen/Menschen. Nach einer Trennung werden in einem Freundeskreis ganz natürlich Stellungen bezogen und wie es aussieht, hat Hannah niemanden mehr, der auf ihrer Seite ist. Natürlich ist Marnie wegen Desi da, der wiederum mit Adam befreundet ist, doch Marnies "What are you doing here?" spricht Bände der Entrüstung, als ob Hannah von vornherein gar nichts auf der Veranstaltung zu suchen hätte. Ganz zu schweigen von Jessa, die völlig rücksichtslos Hannahs Beziehung torpediert hat, um sich Ace zu schnappen. "Girls" hat mittlerweile das Problem, dass keines seiner Girls wirklich mehr sympathisch ist und man auch nicht mehr nachvollziehen kann, warum sie überhaupt noch miteinander abhängen, wenn sie eh alle nur so enorm mit sich selbst beschäftigt sind.

Womöglich soll diese Selbstzentriertheit aber auch einfach ein Spiegel der New Yorker Gesellschaft sein, dieser Stadt, die niemals schläft, und die diesmal besonders gut in Szene gesetzt wird. Natürlich, New York ist aufregend, es warten im wahrsten Sinne des Wortes an jeder Ecke Überraschungen. Doch gleichzeitig wird die Problematik der Anonymität in solch einer großen Metropole deutlich: Während Hannah auf der Toilette ist, freundet sich Mimi-Rose in einem Waschsalon mal eben mit einer Frau an, indem sie ihr ein kleines Gedicht schreibt. Hannah hat genug von Mimi-Rose und ihrer Lieblichkeit und verweigert der Frau, dass sie ihr das Gedicht vorlesen darf. Prompt beginnt diese, über sie zu schimpfen und dampft ab. Die Kommunikation ist (mal wieder) gescheitert: In Sekundenschnelle hat sich hier menschliche Annäherung zur totalen Distanz umgewandelt, der Versuch, die Anonymität zu durchbrechen, ist missglückt. Und so ist Hannah, wie sie am Ende allein die Straßen von Brooklyn hinuntergeht, mit ihrer Enttäuschung, Bitterkeit und Unfähigkeit, über ihren eigenen Schatten zu springen, genau das, was sie immer befürchtet hat: anonym, unerkannt, allein, normal.

In dieser Episode mit hohem Unterhaltungswert zerschmettert "Girls" die Illusion, dass Hannah die Trennung von Adam irgendwie schadlos überstehen könnte, und zerstört gleichzeitig die Illusion, dass die neue Beziehung von Adam mit Mimi-Rose das große Glück wird. Vielleicht macht Hannah durchaus den richtigen ersten Schritt, indem sie gegenüber Adam anerkennt, dass sie versteht, was er an Mimi-Rose findet. Das ist eine Art von Zugeständnis, die selten für Hannah ist. Ob die Hoffnung auf eine weitere Entwicklung Hannahs in diese Richtung illusorisch ist oder nicht, wird sich aber erst zeigen.

Maria Gruber - myFanbase

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