Bewertung
Jean-François Richet

Vater meiner besten Freundin, Der

"Wieso hast du die Unterhose von meinem Vater an?"

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Inhalt

Sonne, Strand und Meer. Das ist Korsika. Das ist der Urlaub von Louna (Lola Le Lann) und Marie (Alice Isaaz). Die Freundinnen wissen genau, wie sie die freien Tage nutzen wollen: Die Nächte durchtanzen und Jungs aufreißen. Blöd nur, dass sie das Ferienhaus mit Laurent (Vincent Cassel) und Antoine (François Cluzet) teilen – ihren Vätern. Schon am ersten Tag nervt Antoine mit seinen väterlichen Anordnungen, die die geplanten Clubnächte verbieten. Maries Vater ist da eindeutig relaxter und anziehender, wie Louna erfreut feststellt. Plötzlich sieht sie den Vater ihrer besten Freundin mit anderen Augen. Laurent wiederum ist völlig verwirrt, als Louna ihn des Nachts am Strand verführt. Noch vor Sonnenaufgang wieder zur Besinnung gekommen, weicht ihm Louna nun nicht mehr von der Seite. Laurent ist überfordert, Louna verliebt, Marie nicht dumm und Antoine ahnungslos. Als Louna ihrem Vater schließlich den One-Night-Stand mit einem älteren Mann beichtet, zieht Ärger ins Haus. Antoine sieht rot und will das Schwein finden. Natürlich soll ihm Laurent dabei helfen. Merde!

Kritik

Zwei hübsche Mädels fahren gemeinsam in den Urlaub. Das schreit geradezu nach Party, Flirt und Badespaß, hätten Louna und Marie nicht ihre Väter im Schlepptau – den coolen Charmebolzen und die pflichtbewusste Spaßbremse. Auf der Mittelmeerinsel geht es dennoch heiß her, denn Louna verliebt sich verrückterweise in den Vater ihrer besten Freundin und das bedeutet Ärger im Paradies.

Die Sommerkomödie von Regisseur Jean-François Richet bringt eigentlich alles mit, was es für einen guten Unterhaltungsfilm braucht: Talentierte Darsteller, französischen Humor und Konfliktpotential. Charles Trenets "La Mer" sorgt überdies für ein malerisches Intro und verspricht sonnige Aussichten. Sein heiterer Gesang über das Meer führt uns auf die Insel Korsika, auf eine kurvige Küstenstraße zum baufälligen Feriendomizil mit Charme. Antoine schwärmt im Auto gerade von seiner Kindheit auf der Insel, da verdrängen Technobeats den Klassiker aus den 40er Jahren. Mit Kopfhörern auf den Ohren demonstrieren die Töchter sogleich ihr Desinteresse und der musikalische Wechsel die ungleichen Generationen. Die Väter erledigen den Abwasch und philosophieren über gescheiterte Beziehungen. Die Töchter zelebrieren ihre Jugend lieber in angesagten Clubs oder auf Männerfang.

Der deutsche Filmtitel passt unterdessen, bringt den Titel des Remakes von Claude Berris "Un moment d'égarement" von 1977 aber nicht angemessen auf den Punkt. Kühlen sich Laurent und Louna nach einer wilden Clubnacht erst einmal im Meer ab, wird nur allzu deutlich, wem es hier die Daumen zu drücken gilt. Die Tochter seines gestrengen Freundes macht es Laurent nämlich partout nicht leicht. Wie sie da nackt vor ihm badet, sich ihm förmlich an den Hals wirft, einfach nicht locker lässt... und seine simpel gestrickte Männlichkeit dann doch um den kleinen Finger wickelt. Die Lust gewinnt, das Drama ist vorprogrammiert. Doch was in der Theorie auf Verführung hindeutet, sieht in der Praxis vielmehr nach sexueller Bedrängnis aus. Infolgedessen der überwältigte Laurent dann rasch seinen Verstand wiederfindet, ist bei der 17-jährigen Femme Fatale das genaue Gegenteil der Fall. In jugendlicher Liebe entbrannt, sucht sie von nun an unverblümt seine Nähe und Zuneigung.

Kein Wunder, dass Vincent Cassel, der mit Jean-François Richet bereits im zweiteiligen Krimithriller "Public Enemy No. 1" kooperierte, die Sympathie bald auf seiner Seite hat. Aktuell in Matteo Garrones "Das Märchen der Märchen" als König auf dem Thron sitzend, kämpft er als Vater der besten Freundin hier nun um Sitte und Moral. Mit mäßigem Erfolg! Und so befindet man sich gemeinsam mit dem gebeutelten Franzosen alsbald zwischen den Stühlen der Gedrücktheit. Denn neben Lola Le Lanns überzeugend provakantem Spiel, bestehend aus nackter Haut und obsessiven Teenagergefühlen, geht der typisch französische Charme sukzessive baden. Das französische Nachwuchstalent mimt Le Lann mit einer derart zuckrig-naiven Art, das nicht nur Laurent sie am liebsten vom Jet Ski fallen sehen möchte.

Was hat Laurent nur faszinierendes an sich, dass Louna dafür ihre Freundschaft mit Marie (brillant gespielt von Alice Isaaz) aufs Spiel zu setzen bereit ist? Woher kommt die Verliebtheit so plötzlich? Weder das eine noch das andere wird plausibel ins Bild gesetzt. Die Affäre des Originals weicht einem fatalen One-Night-Stand, dessen Motivation kaum nachvollziehbar erscheint, abgesehen davon, dass Louna einen reiferen Partner herbeisehnt. Sinnlichkeit und Gefühl sucht man derweil vergebens. Sogar Laurents schwacher Moment erscheint eine Spur zu aufgezwungen.

Dafür erweist sich das väterliche Katz und Mausspiel zwischen Vincent Cassel und "Ziemlich beste Freunde"-Star François Cluzet als unterhaltsam – zwei ungleiche Mittvierziger halten im Erziehungschaos zusammen. Gegen das einseitig skizzierte Liebesintermezzo kommt aber selbst der komödiantische Cluzet als überfürsorglicher Vater mit Schrotflinte auf Wildschweinjagd nicht an. Es ist nur eine Frage der Zeit bis Antoine den "Liebhaber" seiner Tochter entlarven und impulsiv ins Visier nehmen kann. Zeit, die sich mitunter dehnt wie "La Mer" vor der idyllischen Urlaubskulisse. Das Ende kommt wiederum schneller als gedacht und gewährt Spielraum für eigene Schlüsse.

Fazit

Mit dem zeitgemäßen Remake von Claude Berris "Un moment d’égarement" kredenzt "Public Enemy No. 1"- Regisseur Jean-François Richet eine bittersüße Sommerkomödie über zwei beste Freundinnen, ihre Väter und einen verhängnisvollen One-Night-Stand. Während der Cast um Vincent Cassel, François Cluzet, Lola Le Lann und Alice Isaaz der Neuverfilmung zu einigen starken Momenten verhilft, wird der schwache Moment des väterlichen Titelhelden bald zur filmischen Tortur – trotz nackter Tatsachen, atmosphärischem Urlaubsfeeling und einer Femme Fatale in zuckrig-naiver Bestform. So lala!

Doreen B. - myFanbase
14.09.2015

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