Bewertung
Caroline Link

Exit Marrakech

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Inhalt

Statt die Sommerferien mit seinen Freunden zu verbringen, soll der 17-jährige Ben (Samuel Schneider) seinen Vater Heinrich (Ulrich Tukur), einen erfolgreichen Theaterregisseur, auf einer Promotour in Marokko begleiten. Sein Vater ist ihm jedoch genauso fremd wie die Theaterwelt und Ben taucht deshalb lieber in das wahre Marokko ein. In dieser neuen, aufregenden Welt trifft er auf die verschiedensten Menschen und lernt so auch die Prostituierte Karima (Hafsia Herzi) kennen. Vater und Sohn entfremden sich immer mehr bis Ben die Reisßeine zieht und verschwindet. Heinrich macht sich verärgert und besorgt auf die Suche in diesem fremden Land...

Kritik

And the Oscar goes to... Caroline Link! 2003 wurde ihr Film "Nirgendwo in Afrika" mit der begehrten Trophäe als bester fremdsprachiger Film belohnt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war die 1964 in Bad Nauheim geborene Filmemacherin im deutschen Regieolymp angekommen. Im Jahr 2013 präsentiert sie uns ihre nunmehr elfte Regiearbeit und widmet sich einem Thema, das, obwohl es schon die alten Griechen kannten, bis heute ein beliebter Klassiker ist: die Vater-Sohn-Beziehung. Verpackt in wundervollen Bildern rührt die Geschichte um zwei Männer, die sich so nah und doch so fremd sind, auf ganzer Linie. Dabei überragen die großartigen Darsteller Ulrich Tukur und die Neuentdeckung Samuel Schneider auch kleinere dramaturgische Schwächen, so dass ein Familienportrait entsteht, das in Erinnerung bleibt.

Neben der Vater-Sohn-Beziehung widmet der Film sich vor allem dem Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Kulturen. Eine kostenaufwendige, deutsche Aufführung von Lessings "Emilia Galotti" scheint in Marokko ebenso unangebracht wie überflüssig. Im politischen und wirtschaftlich gebeutelten Nordafrika verkommt Emilias eigenes Drama zur Farce. Heinrich wird an dieser Stelle als der arrogante Europäer dargestellt, der sich in Marokko mit seiner Theaterproduktion wie ein Fremdkörper anfühlt. Genauso fühlt sich auch Ben, der sich statt einer Theaterfiktion lieber voll und ganz dem wahren Marokko hingeben würde. Dieses, das wahre Marokko, wird von Link und ihrer Kamerafrau Bella Halben leider allzu stilisiert dargestellt. Auch wenn die Bilder eine ganz eigene und wunderbare Filmmagie erzeugen, wirken sie lediglich als Kulisse für ein weiteres inszeniertes Drama. Die eigentlichen Marokkaner bleiben austauschbar. Akzente kann hier bloß Hafsia Herzi setzen. Die französische Schauspielerin schafft es, ihre Rolle als Prostituierte und Bens Love-Interest, die ihre verarmte Familie unterstützt, glaubhaft und nicht allzu klischeebehaftet darzustellen.

Bleiben wir bei Klischees: Im Laufe des Films wird der Zuschauer immer wieder mit Bens Diabeteskrankheit konfrontiert. So kann natürlich auf der einen Seite Dramatik geschaffen werden, auf der anderen Seite aber auch Ermüdung. Es ist schnell absehbar, dass sich Bens Gesundheitszustand stets auch in seinem Blutzuckerwert widerspiegelt, was auf Dauer einfach aufgesetzt wirkt. Samuel Schneider, der sich als Vorbereitung auf seine Rolle in alltäglichen Situationen eine Woche statt Insulin Kochsalzlösung spritzte, kann seine Krankheit und die damit verbundenen Aktionen aber glaubhaft darstellen und kann als großartige Neuentdeckung verbucht werden. Von dem 19-jährigen Berliner möchte man definitiv mehr sehen.

Das Herzstück des Filmes, die Vater-Sohn-Konfrontation, beginnt langsam und nimmt erst im Laufe des Films mehr und mehr Präsenz ein. Vor allem Ulrich Tukur beginnt sein Spiel eher zurückhaltend, um dann im Finale richtig aufzuwarten. Vor allem das letzte Drittel des Films, wenn Vater und Sohn zwangsläufig Zeit miteinander verbringen müssen, schildert mit viel Feingefühl einen Konflikt, in dem nicht alles schwarz oder weiß ist, in dem es nicht nur Gute und Böse geben kann. Das muss vor allem der junge Ben begreifen, der als 17-jähriger Heranwachsender die Wahl hat – die Vergangenheit ruhen lassen und einen Neuanfang starten? Ein Leben mit, oder ein Leben ohne meinen Vater?

Fazit

Auch wenn es sich hier vielleicht nicht um ein oscarprämiertes Meisterwerk handelt, so hat Caroline Link doch einen einfühlsamen Film geschaffen, der durch seine schönen Bilder und die tollen Hauptdarsteller überzeugen kann.

Gabriel Knierim - myFanbase
30.06.2014

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