Bewertung
Akira Kurosawa

Ran

"Gibt es denn keine Götter mehr? Keinen Buddha? Wenn es euch noch gibt, dann lasst euch sagen, dass ihr bösartig und grausam seid! Ist es euch da oben so langweilig, dass ihr euch daran ergötzt, uns wie Würmer zu zertreten? Seid ihr glücklich? Wenn ihr so viele Menschen hier unten nur noch weinen seht?"

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Inhalt

Hidetora Ichimonji, ein alternder Fürst im Japan des 16. Jahrhunderts, möchte sich von seiner Regentschaft zurückziehen und daher sein durch Gewalt und Verbrechen erworbenes Reich unter seinen drei Söhnen Taro, Jiro und Saburo aufteilen. Der älteste Sohn, Taro, erhält die erste Burg und den Titel des Fürsten des Ichimonji-Clans, während Jiro und Saburo die zweite bzw. dritte Burg erhalten. Doch seine Söhne zeigen schnell ihr wahres Gesicht, und so entbrennt ein unerbittlicher und blutiger Kampf um Macht, den sie nicht nur gegeneinander richten, sondern auch gegen ihren eigenen Vater.

Kritik

Akira Kurosawa. Dieser Name ist wirklich jedem Filmfreund ein Begriff. Über ein halbes Jahrhundert hinweg hat der japanische Regisseur in regelmäßigen Abständen Meisterwerke abgeliefert, darunter "Die sieben Samurai", "Rashomon – Das Lustwäldchen", "Yojimbo – Der Leibwächter" und eben auch "Ran". Heutzutage wird er vor allem verehrt wegen seiner Jidai-geki, also jenen japanischen Historienfilme, die überwiegend Ereignisse aus der Edo-Zeit abbilden, auch wenn er beispielsweise 1976 mit "Uzala, der Kirgise" den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewann und zahlreiche Bücher berühmter Autoren verfilmte, wie Dostojewski, Gorki oder auch Shakespeare.

Dabei ist Shakespeare auch ein maßgeblicher Einfluss für "Ran" gewesen, selbst wenn Kurosawa die Parallelen zu "King Lear" erst aufgefallen sind, als die Planungen zum Film bereits fortgeschritten waren. Die eigentliche Motivation für sein letztes großes Epos, das damals mit 12 Millionen US-Dollar der bis dato kostspieligste japanische Film war, bekam er durch die Legende um den Kriegsherren Mori Motonari, die er Mitte der 70er Jahre las. Die Hauptfigur hatte ebenfalls drei Söhne, die jedoch loyal waren. Daraus entwickelte Kurosawa die Idee, einen Film darüber zu machen, wie es wäre, wenn sie nicht zu ihrem Vater stünden und von Machtgier besessen wären.

Damit war "Ran" geschaffen und mit ihm der letzte große Film des Meisters. Der Grund dafür, dass er auch heute noch als einer der besten Regisseure aller Zeiten angesehen wird, rührt daher, dass Kurosawa eben nicht "nur" besonders herausragende Samurai-Filme auf visionäre Art und Weise schuf, sondern darin Themen behandelte, zu denen auch heute noch jeder Zugang findet. Dabei ist "Ran" durchaus düster, geradezu nihilistisch. Über zweieinhalb Stunden wird man Zeuge einer großen Abwärtsspirale, die sich von einer durch und durch optimistischen Ausgangssituation – der vermeintlich rosigen Zukunft, der das Reich durch den eigenen Nachwuchs entgegen blicken wird – bis zum bitteren Ende entwickelt, in dem alles in Scherben liegt. Selbst der Heldentod ist diesmal niemandem gegönnt.

Zudem regiert in "Ran" – wie der Name bereits vermuten lässt - das Chaos. "Ran" ist schließlich das japanische Wort für Unruhe, Aufruhr bzw. Chaos. Hidetora ist es gelungen, durch sehr viel Gewalt sein Reich zu ergreifen und zu vergrößern, es gibt keinerlei kontrollierende Instanz über ihm, die ihn davon abhalten könnte. Selbst Religion wird eher als überholt und fehl am Platze angesehen. Der Mensch sei letzten Endes alleine, so Kurosawa. Das komplette Fehlen von Ordnung, das unaufhörliche Streben nach Macht, um ein sich immer wieder offenbarendes Vakuum zu schließen, sind wichtige Gründe für die unerbittlichen Kämpfe der drei Brüder und des Vaters untereinander.

Dass eben jene Kämpfe trotz etwa 1.400 Statisten und 200 Pferden nicht unübersichtlich wirken, ist hierbei ein großer Verdienst Kurosawas, vor allem bedingt durch eine eindeutig identifizierbare Farbgebung der einzelnen Fraktionen. Dazu kommt, dass sie atemberaubend gut inszeniert sind, insbesondere, wenn sie Teil weitläufiger Aufnahmen sind, die das ganze Ausmaß des Kriegs der Brüder zeigen. Aber nicht nur die Auseinandersetzungen sind visuell schlichtweg großartig, das gesamte Spiel mit Licht und Schatten, die mit viel Liebe zum Detail geschaffenen Kostüme (nicht umsonst damals mit dem Oscar ausgezeichnet) oder auch die jeweiligen Schauplätze – insbesondere die Burgen und die Naturaufnahmen – vermitteln ein Gefühl formvollendeter Schönheit. Diese Schönheit wirkt auch dadurch so präsent, weil sich der Score bewusst zurücknimmt und so von der Optik nie ablenkt. Nur in vergleichsweise wenigen Szenen wird ein Soundtrack tatsächlich eingesetzt, dann vor allem um das vom Nō-Theater inspirierte Schauspiel zu unterstützen, das insbesondere die Darsteller von Hidetora und Kaede so gut beherrschen, dass es ihnen gelingt, dem Film ihren Stempel aufzudrücken.

Fazit

Mit "Ran" hat Akira Kurosawa, damals immerhin bereits 75 Jahre alt, einmal wieder bewiesen, dass dem Großmeister des japanischen Films niemand so schnell was vormachen kann. Zweieinhalb Stunden voll von Verrat, Machtstreben und der Suche nach Vergebung hat seitdem niemand mehr so großartig inszeniert. Und so bleibt "Ran" ein zeitloser Klassiker, den in der Tat jeder Filmfan mal gesehen haben sollte.

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Andreas K. - myFanbase
12.11.2011

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