Bewertung
Xavier Beauvois

Von Menschen und Göttern

"Wir sind wie Vögel auf einem Baum: Wir wissen nicht, ob wir weiterziehen."

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Inhalt

Abgeschieden im Atlasgebirge in Algerien leben neun Mönche in Harmonie mit der überwiegend muslimischen Gemeinde in einem Kloster und nehmen wie selbstverständlich an den dortigen Festivitäten teil. Bruder Luc (Michael Lonsdale) umsorgt darüber hinaus täglich bis zu 100 Leute aus dem Dorf bei körperlichen oder seelischen Beschwerden. Eines Tages eskaliert die Gewalt an Ausländern und Andersgläubigen durch hiesige Islamisten, sodass die Mönche, die um ihr Leben fürchten, die Entscheidung treffen müssen, ob sie das Kloster und damit auch die Dorfbewohner verlassen sollen oder nicht.

Kritik

Der Große Preis der Jury bei den Filmfestspielen von Cannes 2010, drei wichtige Auszeichnungen bei den französischen César-Awards 2011, das Prädikat "besonders wertvoll" und die Nominierung zum französischen Beitrag für den besten fremdsprachigen Film bei den Oscars 2011 – an nationaler wie internationaler Anerkennung mangelt es "Von Menschen und Göttern", dessen Titel an Psalm 82, 6-7 [1] angelehnt ist, freilich nicht. Dazu kommen gut 3,2 Millionen Kinobesucher allein in Frankreich, wodurch der Film mittlerweile mehr als das Zehnfache seines Budgets von etwa vier Millionen US-Dollar wieder einspielte. Keine Frage, das sensible Drama, das auf einer wahren Begebenheit beruht, war ein voller Erfolg.

1996, im Zuge des Algerischen Bürgerkriegs, der bis zu 200.000 Menschen das Leben kostete, wurden von den neun Trappistenmönchen, die in Harmonie mit der überwiegend muslimischen Bevölkerung in Algerien lebten, sieben entführt und getötet. Bis heute sind die genauen Umstände ungeklärt, auch die Drahtzieher sind unbekannt. Es wäre ein Einfaches gewesen, durch den Film die islamfeindlichen Ressentiments, die ganz Europa durchziehen, zu bedienen und plakativ eine ganze Religion an den Pranger zu stellen. Aber Regisseur Xavier Beauvois, der bereits 1995 mit seinem Zweitlingswerk "Vergiss nicht, dass du sterben musst" seinen ersten Jurypreis in Cannes gewann, reduziert den Film gar nicht auf eine Banalität wie die Religion, um dann fein säuberlich die Unterschiede zwischen Christen und Moslems aufzuzählen und sie gegeneinander auszuspielen. Stattdessen konzentriert er sich strikt auf die Gemeinsamkeiten und liefert das Plädoyer, aufeinander zuzugehen.

Natürlich ist das Thema Glaube bei einem Werk, das bis auf wenige Ausnahmen komplett in einem Kloster gedreht wurde, allgegenwärtig. Allerdings geschieht dies nicht einmal ansatzweise so missionarisch wie man es vielleicht vermuten würde. Der gemeinsame Glaube ist vielmehr die treibende Kraft hinter den Mönchen, sich um seine vornehmlich muslimischen Mitmenschen zu kümmern und auch intern respektvoll miteinander umzugehen, und wird auch nur so thematisiert. Dazu wird geradezu minutiös der Tagesablauf innerhalb des Klosters dargestellt, angefangen bei Gebeten und Gesängen über Haus- und Gartenarbeit bis zu gemeinsamen Gesprächsrunden. Das innere Gleichgewicht aller Protagonisten wird so allgegenwärtig. Beauvois entschied sich daher konsequenterweise auch für eine sehr unaufgeregte Kameraführung mit zahlreichen Nahaufnahmen der einzelnen Gesichter und dafür, komplett auf einen Score zu verzichten. Die Inszenierung eifert so dem regelrecht meditativen Wesen der Hauptcharaktere nach.

Durch die vielen Gespräche der Mönche untereinander kann Beauvois zudem eine wichtige Erkenntnis platzieren: Sie waren keine Helden. Auch sie hatten Angst, agierten vielleicht auch mal egoistisch und waren von zahlreichen Zweifeln geplagt, die immer wieder für Diskussionen sorgten. Denn anfangs war es mitnichten so als ob sich alle selbstlos dafür entschieden hätten, zu bleiben und damit ihr eigenes Leben zu riskieren. Auch sie haben mit allzu weltlichen Emotionen zu kämpfen und wirken dadurch vor allem eines – menschlich. Daher ist es auch ein Leichtes, sich mit den Mönchen zu identifizieren. Insbesondere Bruder Christian als der Anführer der Gruppe tut sich hierbei besonders hervor. Gespielt wird Christian von Lambert Wilson, der Filmfans vor allem durch sein Mitwirken als Merowinger im "Matrix"-Franchise bekannt sein dürfte. Aber auch Michael Lonsdale als Bruder Luc, der von Asthma geplagte Haus-und-Hof-Arzt und -Seelsorger, hinterlässt einen bleibenden Eindruck, obwohl der Film durch die Handlung und vor allem die Interaktion der Protagonisten untereinander geprägt ist, und nicht durch sonderlich auffällige Charakterzeichnungen.

[1] "Wohl habe ich gesagt: Ihr seid Götter, ihr alle seid Söhne des Höchsten. Doch nun sollt ihr sterben wie Menschen, sollt stürzen wie jeder der Fürsten."

Fazit

Auch wenn allein durch die Kopplung der Handlung an reale Ereignisse bekannt ist, wie sich eben jene entwickeln wird, bietet "Von Menschen und Göttern" durch die sensible Inszenierung, die bravourös jegliche Form von sinnentleerten Parolen umgeht, einen wichtigen filmischen Beitrag für den interreligiösen Diskurs.

Andreas K. - myFanbase
13.09.2011

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