Bewertung
Ralf Westhoff

Letzte schöne Herbsttag, Der

"Ist die Liebe zu kompliziert oder sind wir so kompliziert?"

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Inhalt

Claire (Julia Koschitz) liebt Leo (Felix Hellmann). Und Leo liebt Claire. Trotzdem scheint in ihrer Beziehung etwas nicht zu funktionieren. Seit zwei Jahren sind sie jetzt zusammen und vor allem Claire hat das Gefühl, dass etwas fehlt. Als ob Leo sie vergessen würde, sobald sie aus der Tür ist. Während sie ellenlange SMS schreibt und stundenlange Gespräche haben will, ist Leo eher der stille Typ, liest Zeitung und genießt schöne Herbsttage. Doch können zwei Menschen, die so unterschiedlich sind, wirklich glücklich zusammen sein?

Kritik

Ja, da ist sie wieder, die große Frage: Wie können Mann und Frau gemeinsam glücklich sein? Wie sieht das überhaupt aus, gemeinsam glücklich zu sein? Ralf Westhoff ("Shoppen") nimmt sich dieser Frage in seinem zweiten Kinofilm "Der letzte schöne Herbsttag" auf unkonventionelle Art und Weise an. Anstatt eine klare Struktur, einen klaren Plot erkennen zu lassen, zeigt er uns Momentaufnahmen aus der Beziehung von Claire und Leo, die Höhen und Tiefen der zwei gemeinsamen Jahre – vor allem aber die Krisenzeiten. Über diese lässt er seine beiden Protagonisten dann einzeln vor der Kamera sinnieren. Claire und Leo setzen sich dem Zuschauer quasi gegenüber, sehen ihn direkt an, und legen in Monologen ihren Gefühlszustand dar. Was sie über sich selbst denken, was sie über den Partner denken, welche Zweifel, Fragen, Verwirrungen in ihnen vorgehen.

Claire, Leo und ihre Beziehung zueinander sind der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, das Zentrum und die Seele des Films. Westhoff war dementsprechend bemüht, die beiden Figuren so komplex und realistisch wie möglich zu gestalten, was ihm durch das Drehbuch bis zu einem gewissen Grad auch gelingt. Claire ist eine selbstbewusste junge Frau, die gerne Dinge repariert, Yoga macht, leicht hypochondrisch ist und vor allem ganz ganz ganz viel reden will. Leo schweigt lieber, ist einer von der ruhigen Sorte, der sich gerne mit Umweltthemen befasst und stundenlang über den Klimawandel nachdenken kann. Er ist dementsprechend überfordert mit Claires ständigem Wunsch danach, mehr über ihn zu erfahren, mehr zu reden, mehr "Pärchendinge" zu unternehmen.

Während man einerseits durchaus versteht, dass Claire ihren Freund aus der Reserve locken will, so ertappt man sich während des Films doch manchmal dabei, wie man sich unbewusst auf Leos Seite stellt, der Claries plötzlichen Sinnesfragen hilflos ausgesetzt ist. Das liegt nicht an Julia Koschitz' Darstellung, keinesfalls, sondern vielmehr am Drehbuch, das doch mit sehr vielen Platitüden daherkommt, vor allem auf Seiten Claires. Sie sagt dann sowas wie "Der soll nicht die Welt retten, mich soll er retten, mich!" oder "Es geht dir primär um dich, was du bist und was du nicht bist, woran du hängst und woran du nicht hängst... ich kümmere mich jetzt mal um mich selber..." oder "Ich bin ein verlorener Stern im All und ich brauch dich um mich rum, aber ich hab Angst, dass meine Anziehungskraft nicht reicht und dann muss ich wieder alleine durchs All fliegen". Claire wirkt stellenweise einfach enorm auf sich selbst fixiert und verliert so Sympathiepunkte bei den Zuschauern.

Dass man für solche aufgeblasenen Textzeilen Schauspieler braucht, die diese überzeugend transportieren können, versteht sich von selbst. Westhoff greift hier auf seine beiden "Shoppen"-Stars Julia Koschitz und Felix Hellmann zurück und beweist hier ein gutes Händchen. Als Schauspieler, die vor allem auf der Theaterbühne zuhause sind, besitzen sie genug Energie und Feinfühligkeit, um vor allem die schwierigen Close-Up-Aufnahmen zu meistern. Sie dürfen nicht so übertrieben schauspielern, wie sie es auf der Bühne tun müssen, gleichzeitig müssen sie aber ihr ganzes Herzblut in die Rolle stecken, damit der Zuschauer bei diesen Nahaufnahmen das Gefühl bekommt, eine authentische Person vor sich zu haben. Dies bewerkstelligen Koschitz und Hellmann bravourös. Gleichzeitig besitzen sie zusammen genau die richtige Chemie, um Claire und Leo als ein Paar darzustellen, bei dem man sich selbst immer wieder fragt, ob sie jetzt zusammenpassen oder nicht – was eben genau das Dilemma ist, in dem die Charaktere selbst stecken.

Während Westhoff beim Drehbuch zu viel Pseudodramatik hat einfließen lassen, vor allem, was die Figur der Claire angeht, macht er inszenatorisch eigentlich fast alles richtig. Ruhige Blickwinkel, die enorme Fokussierung auf seine zwei Hauptdarsteller, all das funktioniert wunderbar und vermittelt zwischen Film und Publikum eine Art Intimität und Unmittelbarkeit. Schade ist es, dass Westhoff den Standort München nicht mehr genutzt hat, um diese schöne Atmosphäre zu unterstreichen. Fast der gesamte Film spielt sich in geschlossenen Räumen ab, Cafés, Apartments, Bars, von München bekommt man kaum etwas zu sehen – was schade ist bei einem Film, der einen Titel wie "Der letzte schöne Herbsttag" trägt.

Fazit

Ein solider Liebesfilm, der jedoch mitnichten als Komödie einzustufen ist, sondern vielmehr ernsthafte Fragen über das Wie, Warum und Was einer Beziehung stellt. Dank der zwei hervorragenden Schauspieler ist "Der letzte schöne Herbsttag" durchaus ein netter Film, der jedoch mit mehr Dialogauthentizität und abwechslungsreicheren Drehorten mehr erreicht hätte.

Maria Gruber - myFanbase
29.05.2011

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