Bewertung
Samuel Maoz

Lebanon

"Der Mensch ist aus Stahl, ein Panzer ist nur aus Eisen."

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Inhalt

Am ersten Tag des Libanon-Kriegs im Juni 1982 wird ein israelischer Panzer zusammen mit einer Einheit Soldaten auf eine Routinemission geschickt, um eine feindliche Stadt auszukundschaften. Im Panzer befindet sich neben dem befehlshabenden Offizier Assi (Itay Tiran), dem Fahrer Yigal (Michael Moshonov) und dem Ladeschützen Hertzel (Oshri Cohen) auch der Neuankömmling Shmulik (Yoav Donat), der als Richtschütze arbeiten soll. Mit Voranschreiten der Mission geraten die vier unerfahrenen Männer in Situationen, die von ihnen furchtbare Entscheidungen abverlangen.

Kritik

Es gibt im Film eine Art schwarzhumorigen Running-Gag. Jamil, der Kommandant der Einheit und ein sehr direkter und kompromissloser Mann, verwendet für die laut internationalem Recht eigentlich verbotenen Phosphorbomben den Euphemismus "flammender Rauch". Es ist flammender Rauch, der den Lastwagen eines Zivilisten in die Luft sprengt, und es ist flammender Rauch, der eine Hauswand zerbombt und damit Unschuldige in den Tod reißt. Der flammende Rauch steht nicht nur für die brutale Sinnlosigkeit dieses und eines jeden Krieges, sondern auch für seine Gesetzlosigkeit, aller internationalen Gesetze zum Trotz. Denn im Krieg gibt es nur ein Gesetz: Töten, um zu überleben.

Diese Regel wird für die vier Männer im Panzer zur Goldenen Regel. Alle vier sind bei weitem keine Kriegshelden, wie man sie aus den meist schrecklich oberflächlichen Hollywood-Kriegsdramen kennt, nein, sie sind ganz normale Männer, die nun plötzlich Phosphorbomben auf Zivilpersonen abschießen sollen. In dieser entsetzlichen Lage findet sich Richtschütze Shmulik wieder, sehr überzeugend dargestellt durch den isrealischen Jungschauspieler Yoav Donat, der in eine innere Gewissenskrise und letztlich in einen unmittelbaren Schock fällt, als er den Abzug drücken soll. Er weiß, dass er durch einen Knopfdruck ein Menschenleben auslöschen wird und ist mit der Situation völlig überfordert.

Durch Shmulik ist der Zuschauer emotional sehr schnell mit dem Film verbunden. Man leidet nicht nur mit diesem jungen Soldaten mit, man sieht auch alles durch seine Augen. Regisseur und Drehbuchautor Samuel Maoz, der mit diesem Film sehr persönliche Erlebnisse verarbeitet, entschied sich nämlich dafür, das Geschehen wirklich nur auf den Panzer zu beschränken. Alles, was während der eineinhalb Stunden im Film außerhalb des Panzers passiert, wird durch das Zielrohr Shmuliks übertragen, womit der Spielraum der Inszenierung drastisch reduziert wird. Doch diese kinematographische Entscheidung erzielt die gewünschte Wirkung: Man hat das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein, man erlebt die klaustrophobische Enge des Panzers, die Abgeschottenheit von der Außenwelt und gleichzeitig die totale Hilflosigkeit, in einer blechernen Killermaschine zu sitzen, umgeben vom Tod.

Neben den vielen Opfern unter den libanesischen Zivilisten und den israelischen Soldaten thematisiert der Film aber letztlich eines: den Tod der Seele. Auch wenn "Lebanon" zeitlich nur knapp einen Tag umfasst und in medias res beginnt und endet, so ist einem jeden klar, dass die Soldaten im Panzer nach ihrem Kriegseinsatz nicht mehr dieselben sein werden. Die Grauenhaftigkeit des Krieges wird sie für immer verfolgen, genauso wie ihre eigenen grauenhaften Taten, zu denen sie der Krieg zwang.

Doch auch wenn Maoz sich natürlich vor allem auf die Darstellung der traumatisierten israelischen Soldaten konzentriert, so nimmt er während des Films nie politisch Stellung oder propagiert die "Menschlichkeit" der israelischen Soldaten. Stattdessen gelingt es Maoz dadurch, dass er den inhaltlichen und inszenatorischen Fokus auf den Panzer und dessen Insassen legt, die Absurdität des Krieges in Bilder und Emotionen zu fassen, ohne viele Worte. Folglich bleibt eine detailliertere Charakterzeichnung leider etwas auf der Strecke, doch das tut der emotionalen Wirkung von "Lebanon" keinen Abbruch. Denn letztlich widerlegt der Film das, was Shmulik zu Beginn auf der Panzerwand liest: "Der Mensch ist aus Stahl, ein Panzer ist nur aus Eisen." Der Mensch ist nämlich nicht aus Stahl.

Fazit

Samuel Maoz hat mit "Lebanon" einen eindrucksvollen Antikriegsfilm geschaffen, der durch einfache Mittel eine große Wirkung entfaltet. Perfekt ist der Film sicherlich nicht, doch Maoz vollbringt das Kunststück, eine klare Aussage über die Sinnlosigkeit von Krieg zu machen, ohne einen politischen Standpunkt einzunehmen. Schonungslos und intensiv erlebt der Zuschauer das Innenleben eines Panzers mit, die beklemmende Todesangst, den Schock über die eigenen Gräueltaten und den Horror des Krieges.

Maria Gruber - myFanbase
12.05.2010

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