Bewertung

Review: #1.07 Schuld und Sühne

Der Tag der großen Operation ist gekommen und endlich lernen wir Colin als Nicht-Komapatienten kennen – wenn auch nur vor dem Unfall. Amy und Bright erinnern sich aufgrund der Operation an den 4. Juli und wie es zu dem Unfall kam. Beide kommen daraufhin zu dem Schluss, dass sie schuld an dem Unfall sind, was die Situation für beide noch belastender macht. Ephram überwindet seine Gefühle und steht Amy bei, während auch Andy seine Angst überwinden muss und sein Bestes gibt, um Colin zu retten.

Sometimes I think he wasn't just going for a joy ride that day. I think he was running away from me.

Amy hat mir in dieser Folge wirklich leid getan, wie sie zu Beginn ganz alleine im Krankenhaus wartet und sich ständig mit den Erinnerungen an den Unfalltag auseinandersetzen muss. Ihr Streit mit Colin stellt das absolute Horrorszenario für ein Gewissen dar: man bekommt sich wegen einer Kleinigkeit in die Haare und bevor man sich versöhnen kann passiert so etwas Furchtbares wie Colins Unfall, der es unmöglich macht, die Probleme aus der Welt zu schaffen. Gerade die zwei Szenen, als sie Colin aus lauter Trotz keinen Kuss geben will oder als sie Bright und Colin wegfahren lässt, obwohl sie weiß, dass die beiden getrunken haben, hat sie im Kopf bestimmt schon öfters durchgespielt und sich gewünscht, anders reagiert zu haben.

Dass sie allerdings denkt, sie sei für den Unfall verantwortlich weil Colin von ihr weg wollte, muss eine ungeheure Belastung sein, vor allem da sie auch mit niemandem darüber geredet hat. Doch ich denke, gerade die Rückblicke zeigen, dass Colin tatsächlich nur seinen Spaß haben wollte und Amy nichts damit zu tun hatte, dass er mit Bright weg gefahren ist. Dafür waren die Szenen am See mit den beiden viel zu süß und haben gezeigt, dass die beiden nicht nur ein Paar, sondern auch langjährige Freunde sind und dass Colin genau weiß, wie Amy manchmal für eine Weile drauf ist. Außerdem hat Colin den Streit nicht so ernst genommen wie Amy, sodass es einfach nicht zu ihm passen würde, wenn er aus diesem Grund gefahren wäre. Doch es ist absolut verständlich, dass Amy diese Kleinigkeiten während Colins Koma immer weiter aufgebauscht hat und ich fand es sehr schön, dass Ephram sie von dieser Selbstanklage abbringt und ihr klar macht, dass es einfach ein furchtbarer Unfall war und es keinen Sinn macht nach einem Schuldigen zu suchen.

You just have to decide what kind of friend you want to be.

Ephram war sowieso mein großer Held dieser Folge, denn es hat ihn bestimmt einiges an Selbstüberwindung gekostet, Amy trotz seiner Verliebtheit beizustehen, während sie um das Leben ihres Freundes bangt. Ohne einen kleinen Schubs ging es zwar nicht, aber dafür gibt es ja Nina, die Ephram sehr schön gezeigt hat, wo seine Prioritäten liegen sollten ohne ihn zu sehr zu drängen. Ich fand es wirklich süß, wie er mit seiner Tasche voller Spiele ins Krankenhaus kommt und an Amys freudig-überraschter Reaktion merkt, dass Nina recht hatte und sich Amy einfach nicht getraut hat zu fragen, ob er mit ihr auf das Ende der OP wartet.

Es ist schön, dass mit dieser Aktion von Ephram eine Art Grundstein für eine wirkliche Freundschaft gelegt wurde, nachdem bis jetzt durch Ephrams Verliebtheit und Amys Wunsch, dass Colin die OP bekommt doch eine große Spannung auf ihrer Beziehung lastete. Ephram hat in dieser Situation wie ein Freund gehandelt und seine Gefühle hinten an gestellt und Amy schien wirklich froh zu sein, dass ihr ausgerechnet Ephram beisteht. Deshalb war es auch nur folgerichtig, dass Ephram der erste war, dem sie von ihrem Streit mit Colin erzählt hat und dieses Gespräch war eines der berührendsten der ganzen Folge. Etwas schade fand ich, dass Amy am Schluss sofort zu Colin rennt, ohne sich noch mal bei Ephram zu bedanken, aber einerseits ist es verständlich, nachdem sie so lange darauf gewartet hat und andererseits kommt man dadurch in den Genuss einer außergewöhnlich schönen Szene zwischen Ephram und Andy.

This is my home now, Brian. And as for the big guy's mistakes, these days I'm working on one of his bigger ones.

Von Andy war ich in dieser Folge wirklich positiv überrascht! Zum einen fand ich es sehr schön, ihn mal mit jemandem aus seinen New Yorker Zeiten interagieren zu sehen, der ihn nicht als den versagenden Menschen sieht wie Ephram oder auch Andy selbst, sondern als den genialen Neurochirurgen. Das wurde zwar in der ersten Folge schon angedeutet, aber ging danach etwas unter zu Gunsten von Andys Schmerz wegen des Verlusts seiner Ehefrau und seinem Gefühl, an seinen Kindern etwas gut machen zu müssen. Die Anerkennung und Freundschaft, die Brian ihm entgegenbringt, haben ihn mir in dieser Folge zusammen mit seinen Selbstzweifeln richtig sympathisch gemacht.

Großartig waren natürlich die beiden Schlussszenen: zum einen lehnt er nach der gelungenen OP Brians Angebot ab, wieder nach New York zu kommen, auch wenn man ihm während den OP-Szenen angesehen hat, wie sehr er dabei aufgeblüht ist. Doch Andy entscheidet sich gegen seine Berufung und für seine Kinder und es ist nur konsequent, dass sich daran die schöne Szene zwischen Ephram und Andy anschließt. Ich fand es auch schon toll, dass Ephram seinem Vater vor der OP Frühstück und natürlich die CD gemacht hat, aber da war er immer noch leicht distanziert und zugeknöpft. Doch in dieser Schlussszene reden beide völlig offen miteinander: Ephram erkundigt sich ehrlich interessiert, wie die OP für Andy war und der erzählt seinem Sohn offen von seinen Ängsten. Ein sehr intimer Moment, der durch das anschließende harmonische Spiel der beiden auch sehr gut als Schlussbild hätte fungieren können – wobei natürlich der letzte Rückblick mit Colin am See auch sehr schön war.

It was my fault, and if Colin dies, it's going to be like I killed him. Like I killed my best friend.

Auch Bright bekommt in dieser Folge etwas mehr Profil. Genau wie Amy erinnert auch er sich an den Tag des Unfalls und gerade durch diese Erinnerungen wird deutlich, wie sehr sich Bright durch dieses Ereignis verändert hat. Während er in den Erinnerungen ein abenteuerlustiger und auch verantwortungsloser Teenager ist, wirkt er in den Gesprächen mit seinem Vater und den Harts viel reifer, auch durch die Verzweiflung, die er wegen seiner Schuld hat. Doch auch Bright wird diese Schuld wie Amy abgenommen, und zwar von Colins Mutter, die wirklich außergewöhnlich toll auf Brights Geständnis reagiert.

Eine neue Facette bekommt auch das Geschwisterverhältnis von Amy und Bright, als Bright seinem Vater die Befürchtung mitteilt, dass Amy ihn immer hassen wird und man sieht, dass ihn das mindestens ebenso sehr belastet wie die Angst, dass sein bester Freund seinetwegen sterben muss. Außerdem haben mir die Szenen zwischen Harold und Bright sehr gut gefallen: Harold versucht alles, um seinem Sohn die Angst vor der OP zu nehmen, er verurteilt ihn auch nicht nach seinem Geständnis und fährt schließlich mit ihm ins Krankenhaus zu den Harts, um ihn dabei zu unterstützen, wenn er Colins Eltern die Wahrheit über den Unfall erzählt. Wie liebevoll er sich um seinen Sohn bemüht zeigt wieder einmal, was für ein guter Vater Harold trotz seines kauzigen Verhaltens ist, wenn es darauf ankommt.

Fazit

Eine bewegende Folge, die mit den Rückblicken wunderschön konzipiert wurde und sowohl die Freundschaft von Amy und Ephram als auch die Vater-Sohn-Verhältnisse toll in Szene setzt.

Lena Stadelmann - myFanbase

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