Bewertung

Review: #1.08 Der Zeitreisende

Es ist einfach schön, wenn sich Vertrauen auszahlt. Ich war trotz eines mittelprächtigen Starts immer überzeugt davon, dass "Defiance" das Zeug zu einer starken Sci-Fi-Serie hat. Nach der fünften Folge habe ich als Zwischenfazit gezogen, dass die bis dato gute aber nicht überdurchschnittliche Serie das Potential in sich trägt, herausragend zu werden. Seit einigen Wochen nun nähert sich "Defiance" tatsächlich mehr und mehr dem Prädikat herausragend an. Diese achte Folge ist rundum gelungen.

In der vorherigen Folge hat mir schon die Auflösung, dass der scheinbar von einer göttlichen Macht wiedererweckte Sukar in Wahrheit von Technologie gesteuert wurde, die seinen Körper brauchte, um ein Raumschiff zu landen, sehr gut gefallen. In dieser Folge finde ich die überraschende und schockierende Erkenntnis über den NASA-Astronauten Gordon McClintock, den Nolan und Tommy im besagten Raumschiff finden, noch genialer. Damit, dass dieser vermeintliche Gordon in Wahrheit ein chirurgisch veränderter Indogener ist, dem die gesamten Erinnerungen des echten Gordon McClintock eingepflanzt wurden und der als Schläferagent auf der Erde eingesetzt werden sollte, hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Bei dem echten Gordon und den anderen Menschen, die entführt wurden, um durch Schläfer ersetzt zu werden, führte die Entnahme der Erinnerungen zum Tod. Dies ist eine sehr spannende und dramatische Enthüllung, die das ohnehin schwierige Verhältnis zwischen den Menschen und den Außerirdischen sehr stark belastet und die Frage aufwirft, was die Indogenen, Castithaner, Irathier und anderen Votan-Rassen den Menschen noch so alles verschweigen.

Bereits in der Episode #1.06 Waffenbrüder wurde ja angedeutet, dass Doc Yewll während des Krieges an geheimen Experimenten beteiligt war. Die Entführung von Menschen und die Erschaffung von Schläferagenten fand sogar schon vor dem Krieg statt, zu einer Zeit, als die Menschen noch gar nicht wussten, dass sieben außerirdische Spezies die Erde als neue Heimat ins Auge gefasst haben. Natürlich wollten die Votans im Allgemeinen und die Indogenen im Speziellen nicht, dass diese Geheimoperation jemals ans Licht kommt, doch die Vergangenheit ist im wahrsten Sinne des Wortes auf sie herabgestürzt.

Dieses Schläferprogramm der Indogenen vereint in sich zwei sehr bekannte filmische und historische Motive. Zum Einen wissen wir spätestens seit dem Kalten Krieg, dass es Schläfer, die als ganz normale Personen getarnt leben, um auf Kommando in Aktion zu treten, in der Realität gab und gibt. Auch wird dieses Thema sehr oft in Film, Fernsehen und Literatur verarbeitet. Zum Anderen ist die Vorstellung, dass Menschen von Außerirdischen entführt, studiert und benutzt werden, sehr verbreitet in der Sci-Fi-Unterhaltung.

Yewll behauptet, dass sich die Indogenen, die zu Menschen umoperiert wurden, freiwillig gemeldet hatten, aber diesbezüglich darf man zumindest eine gewisse Skepsis empfinden. Im Grunde gibt es in dem Fall Gordon McClintock zwei Opfer, den echten Gordon, den man entführt und getötet hat, und den Indogenen, dessen wahre Persönlichkeit völlig ausgelöscht wurde. Der echte Gordon ist tot und der Indogene lebt als Kopie von Gordon weiter, ohne jede Erinnerung an seine wahre Existenz. Das hat schon etwas sehr Trauriges an sich. Andererseits ist die Szene, in der "Gordon" seine Frau Grace in die Arme schließt, sehr rührend und lässt einen dann doch irgendwie mit einem guten Gefühl zurück.

So wie die Irathier für Spiritualität und Naturverbundenheit stehen, verkörpern die Indogenen die Wissenschaft. Nach den bisherigen Erkenntnissen kann man die Indogenen weder als moralisch noch als unmoralisch bezeichnen, sondern eher als amoralisch, als weitestgehend losgelöst von Moralvorstellungen. Sie haben keinen Spass daran, anderen Lebewesen etwas anzutun, aber sie scheuen sich auch nicht davor, wenn es ihren Zielen dient. Sie sind pragmatisch bis ins Mark.

Nolan würde Doc Yewll am liebsten aufmischen, aber der Zeitpunkt ist sehr ungünstig, denn eine Seuche bricht gerade über Defiance herein. Es ist keine gute Idee, der führenden Ärztin der Stadt die Hölle heiß zu machen, wenn eine Krankheit die Bewohner bedroht. Da stellt sich natürlich fast automatisch die Frage, ob dieser Krankheitsausbruch nicht womöglich von Yewll selbst iniziert wurde, um von sich abzulenken bzw. sich unentbehrlich zu machen. Im Moment glaube ich aber nicht daran, da es mir etwas zu offensichtlich erscheint.

Ein Wiedersehen gibt es in dieser Folge mit Connor Lang, der uns auch verrät, dass "Onkel Eddie", Nolans Armeekamerad Eddie Braddock, die Flucht gelungen ist. Connor versucht vergeblich, Amanda dazu zu bringen, mit ihm nach New York zu gehen. Er erwähnt ihr gegenüber dabei, dass sie beide heute eine Familie wären, wenn sie ihm mehr vertraut hätte. Das klingt für mich fast so, als wäre Amanda schwanger gewesen, hätte das Kind aber nicht bekommen. Oder es weggegeben.

Darüber hinaus wird Olfin Tennety, die Chef-Intrigantin der Republik Erde, erneut erwähnt. Sie will Amanda zu Gunsten eines kooperativeren Stadtoberhauptes loswerden, damit die Republik Zugriff auf die Bodenschätze von Defiance bekommt. Ich rechne fest damit, dass wir Tennety bald wiedersehen werden. Ob sie sich wohl schon neue Ehemänner angelacht hat?

Neben viel Tragik und Dramatik bietet diese Episode auch einigen Humor. Tommy nervt Nolan mit Zitaten aus "Moby Dick" und Gordon erfährt, dass er (bzw. der echte Gordon McClintock), in einem Hollywoodfilm von Robert Pattinson gespielt wurde, woraufhin die Männer sich erst einmal fragen, ob Pattinson in "Twilight" der Vampir oder der Werwolf war. Wer jemals die Behauptung aufgestellt hat, dass sich in 30 Jahren kein Mensch mehr an "Twilight" erinnert, sollte das nun besser noch einmal überdenken.

Nebenbei wird eine Frage beantwortet, die ich mir noch gar nicht gestellt habe, die aber berechtigt gewesen wäre: warum gibt es keine Flugzeuge mehr? Die Strahlung und die Trümmer, die seit dem Archenfall in der Erdatmosphäre zu finden sind, machen Flüge zu gefährlich. Darüber hinaus hat, nachdem die Katastrophe von oben auf die Erde kam, die Sehnsucht der Menschen nach der Erstürmung des Himmels deutlich nachgelassen. Sie orientieren sich nun mehr nach unten, ins Erdreich, wie die Bedeutung der Minen in Defiance gut dokumentiert.

Die einzigen Szenen dieser Folge, die sich gar nicht um Gordon McClintock drehen, betreffen Stahma und Kenya sowie den (noch) ahnungslosen Datak. Die Paarung Stahma/Kenya gefällt mir immer besser. Lesbische Mensch-Alien-Romanzen sind in der TV-Welt ohnehin eher rar gesät und wenn der Mensch dann auch noch eine Prostituierte ist, die regelmäßig von dem Mann der Außerirdischen besucht wird, haben wir eine sehr außergewöhnliche, spannungsgeladene Konstellation.

Maret Hosemann - myFanbase

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