Review: #3.23 Jetzt oder nie

Am Ende eines langen und durchwachsenen Jahres, in dem Dawson sich für sich und gegen Joey entschied, entscheidet er sich schließlich gegen sich selber und für Joey. Damit endet eine Ära in Dawson's Creek, nämlich die von Dawson und Joey als das füreinander bestimmte Paar. Bis zur vierten Staffel beginnt eine Fahrt ins Ungewisse, die man mit der Fahrt in den Sonnenuntergang nicht besser hätte darstellen können.

Als Dawson am Anfang der dritten Staffel Joey zurückwies, als diese nach seiner Rückkehr aus Philadelphia den Wiederbeginn der Beziehung suchte, geschah dies, weil er nicht wollte, dass alles wieder so wird, wie es in den zwei Jahren davor verlief. Doch egal wie nah oder fern er Joey physisch war, blieb sie im Geiste die ganze Zeit der alles bestimmende Faktor. Selbst das undefinierbare Verhältnis mit Eve blieb von der Mißgunst Joeys nicht unberührt - egal wie ernst Dawson ihre Bedenken letztlich nahm, waren sie ihm dennoch nicht egal.

Doch genauso wie Dawson sich selber suchen wollte, um herauszufinden, was richtig und was falsch sei, ging auch Joey ihres Weges. Sie wurde sich wieder zunehmend ihrer Abhängigkeit von Dawson bewußt, die sie ja sogar bis in dieses Finale herein quälte. Dem glücklichen Zustand, dass Dawson Pacey, der selber gerade mit Andie auseinandergegangen war, beauftragte, sich um Joey zu kümmern, hat sie es zu verdanken, dass sie neue Betrachtungsweisen kennenlernte und zugleich auch eine Person, die sie trotz Jahren der Gemeinsamkeit nie richtig zur Kenntnis nahm. Joey lernte mit dieser Verliebtheit, die wir bereits sehr früh erkannten, zu leben. Sie verdrängte sie, bis die Entscheidung über die Kenntlichmachung dieser Gefühle plötzlich nicht mehr in der Hand lag, als Pacey sie in "Cinderella Story" küsste.

Am Ende stand sie dann vor der Wahl: Entscheidet sie sich für Dawson, der inzwischen auch wieder die Nähe zu ihr suchte oder entscheidet sie sich für Pacey...

Die Zuspitzung des Konflikts durch die bevorstehende Abfahrt Paceys und der dringende Entscheidungsbedarf seitens Joeys lassen Dawson erkennen, wie es wirklich um ihn und Joey steht. Joey hält zu ihm, ja, doch nur aus Angst. Sie befürchtet mehr zu verlieren, als sie gewinnen würde und sie empfindet es als innere Verpflichtung, dass eine Beziehung mit Pacey von Dawson abgesegnet wird.

Man kann also sagen, dass in diesem Finale wieder einmal Dawson die Weichen stellt. Genauso wie er am Anfang der Staffel die Beziehung von Pacey und Joey überhaupt ermöglichte, da die beiden sonst keinesfalls zueinander gefunden hätten, schickt er sie nun los, um sich um Pacey zu kümmern, so wie er damals Pacey losschickte, um sich um Joey zu kümmern.

Es steckt eine gewiße Tragik in der Tatsache, dass Dawson letztlich besiegeln muss, was er damals unbewusst auch ausgelöst hat. Das bei Dawson unerwartete Zeigen der Trauer-Emotion zeigt eindeutig, dass er sein selbstgestecktes Ziel verfehlt hat, dass all sein Optimismus nach drei Jahren zu nichts führte und dass das für ihn Wertvollste letztlich zerbrach.

Für Dawson endet die dritte Staffel wie die zweite Staffel. Doch dieses Mal wird ihm für Wut und Trauer keine Gelegenheit gelassen, da seine Freunde bereits auf ihn warten. Das ist angesichts der Ereignisse ein Tropfen auf den heissen Stein, doch andererseits kann man den Verzicht auf ein melancholisches Ende auch als positives Zeichen werten.

Joey entzieht sich letztlich, wie schon angesprochen, dem Fällen der Entscheidung, was sie will, wenngleich ihre Entscheidung bereits feststand: Sie will die Freundschaft zu Dawson nicht der Beziehung mit Pacey opfern. Doch gleichzeitig will sie die Beziehung. Dass sie so denkt, offenbart sie Dawson in dieser Episode auch erstmals, der darauf basierend am Ende seine Entscheidung trifft, dass die Freundschaft bleiben werde, egal für wen Joey sich am Ende entscheidet.

Angesichts der Komplexität der Situation kann man Joeys Vorgehensweise dahingehend loben, dass sie am Ende ihr Wunschziel, das sie bereits in "The Longest Day" hatte, doch noch umsetzen konnte. Andererseits kann man ihr vorwerfen, dass sich die Situation mehr oder weniger zu ihren Gunsten ergeben hat und sie nur hier und da etwas dazu beitrug. Sie macht es sich recht einfach, wenn sie Dawson praktisch dazu zwingt, sie aufzugeben, damit sie ihre Legimitation hat. Ob diese passive Vorgehensweise Dawson gegenüber wirklich fair war, sei mal so dahingestellt.

Pacey, der nicht um Joey kämpfen wollte, nimmt auf den Druck seines Umfeldes hin doch den Kampf für eine Entscheidung Joeys auf. Das Bemalen der Wand, die symbolträchtig auch nur halb bemalt ist und sein Auftritt auf der Hochzeit machen noch einmal deutlich, was Joey ihm bedeutet. Gleichzeitig wird auf der Hochzeit auch klar, dass das Verhältnis zu Dawson dauerhaft gestört bleiben wird, dass es vermutlich nie wieder so sein wird, wie es einmal war. Am Ende ist Pacey gewißermaßen der einzige wirkliche Gewinner, da sich die Dinge für ihn am positivsten entwickelten.

Interessant ist in Bezug auf ihn auch die Einbeziehung seines Bruders Doug, der Joey darauf hinweist, dass er abreisen wird. Doug war ein Element der gesamten dritten Staffel und erhält damit auch am Ende nochmal die Anerkennung für seine Anwesenheit.

Interessant ist aber auch das Einbringen der anderen Charaktere in diesem Finale. Vor allen Dingen Jack ringt sich am Ende zu einem Schritt durch, der aus der bisherigen Theorie jetzt Praxis macht. Ein Happy End ist ihm nicht vergönnt, doch wirklich entscheidend ist das angesichts der Zentrierung seiner Weiterentwicklung in der dritten Staffel eigentlich nicht.

Umgekehrt bekommt auch die Beziehung von Jen und Henry einen neuen Schub, da Jen sich dazu bekennt, dass sie tatsächlich mehr Angst vor der ganzen Situation habe als Henry, der sich nun endlich mal dazu durchgerungen hat, auch eine harte Linie zu fahren, anstatt Jen nachzulaufen. Das vermeintliche Happy End ist jedoch von der bleibenden Abwesenheit Henrys überschattet.

Lustig ist generell das Szenario rund um Grams, genauso wie bereits die Szene mit Officer Doug amüsant ist, wie er auf seine eigene Weise Joey den Hinweis auf Paceys Plan gibt. Nebenbei läuft auch noch die zweite Hochzeit der Leerys, die aber mehr die Rahmensituation für alles andere stellt.

Was etwas negativ auffällt, ist die Geschwindigkeit des Finales. Es wirkt fast wie Selbstironie, dass Grams mit dem Auto quer durch die Ortschaften rast, denn insgesamt kommt ein wenig der Eindruck auf, die Ereignisse würden sich zu sehr überschlagen. Letztlich ist Eile ein Element der Handlung, da Joey sich entscheiden muss, aber andererseits hätte man aus dem Finale auch gut einen Zweiteiler machen können - es ist einfach sehr viel, was man in diese 45 Minuten integrierte.

Alles in allem erfüllt das Finale die Erwartungen, belässt es aber auch dabei. Unerwartetes trifft man nur in Jacks wagemutiger Entscheidung an, nicht aber, was das Dreieck Dawson-Joey-Pacey betrifft. Was sehr positiv auffällt, ist die Atmosphäre. Wieder einmal wurde mit vielen Außenaufnahmen gearbeitet, die durch das Licht stimmungstechnisch zur Aussage der Episode beitragen.

Dass Pacey und Joey am Ende zusammenfinden, ist einerseits Genugtuung und andererseits aber auch Anlaß zur Trauer. Die Serie verliert etwas, gewinnt aber gleichzeitig auch etwas hinzu, wovon wir aber noch nicht wissen, ob es gelohnt hat, dafür den Verlust hinzunehmen. Gleichzeitig gewinnt die Serie aber auch wieder an Realitätsbezug. Das Finale zeigt, dass das Leben keineswegs eine Bilderbuch-Geschichte ist. Damit es Gewinner geben kann, muss es auch Verlierer geben, ansonsten sind alle die Verlierer. Und der Mut zur Überwindung (Jack) reicht desöfteren nicht allein, um ein Ziel zu erreichen, wenngleich es manchmal auch klappt (Jen).

Die dritte Staffel - sie hängt im Staffelvergleich hintendran. Das ist allerdings eine Feststellung, die nicht neu ist. Selbst eine durchweg gelungene Staffel hätte ihre Schwierigkeiten gehabt, sich an den vorhergehenden zu messen. Bei der dritten Staffel ist es allerdings keine knappe Verfehlung, sie ist schon ziemlich deutlich. Mit neuen Akzenten wollte sie beginnen, die aber sogleich im ziellosen Fiasko mündeten (Eve). Eine Phase der Orientierungslosigkeit brach über die Autoren herein, die sie sogleich auch Dawson mit seiner Selbstfindung andichteten und am Ende, nachdem es auch personelle Veränderungen gab, gab es dann doch wieder bewährte Qualität. Resignationsfreudige Zuschauer haben also etwas verpasst - das Warten lohnte sich.

Nun muß man dieser Staffel aber auch eingestehen, dass sie den überzogenenen Erwartungen in der gegebenen Situation gar nicht gerecht werden konnte. Nach zwei Jahren DC war der Dawson-Joey-Handlungsstrang nahezu erschöpft, es mussten neue Ideen her. Doch woher neue Ideen nehmen, wenn keine nahelagen? Zugleich lag hinter den Zuschauern zwei Jahre Top-Qualität, die man jetzt natürlich nach dem tragischen Finale der zweiten Staffel auch in der dritten fortgesetzt haben wollte. Dass die Krise sich so tiefgehend gestaltete, liegt natürlich nicht nur an der Erwartungshaltung, aber dennoch war diese mitunter ausschlaggebend für das Problem.

Ob letztlich die Probleme der dritten Staffel maßgebend waren oder ob man es von vornherein plante, bleibt unklar, aber der Schritt Pacey und Joey in eine Beziehung zu schreiben, war seitens der Autoren schon recht wagemutig, zumal eine seitens der Zuschauer als unumrückbar geglaubte Konstellation zwischen Dawson, Joey und Pacey damit durchbrochen wurde. Beschwerten wir uns seinerzeit über Jen, die Dawson Joey vorenthielt, so sprengte man damit alles.

Doch damit gab man der dritten Staffel gleichzeitig eine Trägerfunktion, nämlich Träger dieser Übergangssituation, die uns hoffentlich in der vierten Staffel von Anfang an gute Handlungen liefern wird. Stoff dafür gibt es sicherlich genug, denn die Perspektiven sind weitaus größer als noch zu Zeiten der zweiten Staffel, als diese endete.

Wie sagte es Dawson seinerzeit in "His Leading Lady" in der zweiten Staffel: "We have to move on. A little bit today and a little more tomorrow."

Malte Kirchner

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