Review: #3.12 Luftschlösser

Der Charakter der ersten Staffel leuchtet in dieser Episode eindeutig durch. Doch das durchaus absichtlich, denn die Konstellationen sind, wie wir erkennen müssen, neu gemischt.

Dawson befindet sich auf einem Selbstfindungstrip. Das Abhängen der Poster war der Anfang und man führt dies in dieser Episode fort, indem er auf einmal das Besondere an bisher als schlecht angesehenen Filmen herauszufinden versucht, sein Regie-Talent für die Werbung einsetzt und letztlich durch den Hinweis seiner Mutter darauf aufmerksam wird, dass sein Verhältnis zu Joey und die Trennung seiner Eltern mit den ständigen Schwankungen sogar ziemlich ähnlich sind, was wohl auch der Grund für seine derzeitige Krise ist. Was Dawson nicht merkt, ist, wie ihm das Leben langsam vor der Nase wegläuft, insbesondere Joey, die er in die "Obhut" von Pacey übergeben hat, was trotz Beteuerungen Paceys doch ziemlich außer Kontrolle zu geraten scheint.

Joey wiederum interessiert sich zur Zeit eher für die Probleme im eigenen Hause. Die Frühstückspension läuft nur sehr schleppend bis gar nicht an, die Probleme türmen sich und zu allem Überfluss organisiert Pacey auch noch einen renommierten Kritiker, der über alle Pannen stolpert. Helfende Freunde und Bekannte verschlimmern die Situation eher, als dass sie verbessern, doch am Ende haben wir für sie doch ein Happy End - die Potter-Pechsträhne scheint gebrochen, der Kritiker zufrieden und selber Bessie ein wenig vorangekommen zu sein.

Gekonnt ist vor allem aber der Humor, mit der die Szenen aufwarten. Zum einen, als Pacey die "falschen" Gäste der Reihe nach vorführt, aber auch Situationen wie die kaputte Heizung sowie der Teaser mit der Telefonverkäuferin und den Vertretern. Durch den Humor überdramatisiert man diesen Teil der Handlung nicht, was wiederum den Blickpunkt auf die zwischenmenschlichen Konflikte lenkt, die auch zurecht der vollen Aufmerksamkeit bedürfen.

Gut in Szene gesetzt ist aber auch das Potter-Haus. Die dörfliche und doch bescheidene Innenausstattung, das Haus sowie die Umgebung (der Fluss) tragen atmosphärisch sehr viel zur vom Kritiker am Ende auch festgestellten Herzlichkeit bei.

Pacey wiederum soll in dieser Episode wohl der wichtigste Charakter sein. Dawsons Vater fragt ihn, warum er sich so für Joey einsetzt und eine Antwort bleibt er uns letztlich schuldig, wenngleich der Zuschauer sie erahnen kann. Der endgültige Wink mit dem Zaunpfahl ist aber das Ende der Episode, als er Joey zudeckt und im Schlaf beobachtet (!). Wer Grandma Linleys Geschichte zugehört hat, wird wissen, warum diese Szene ein Wink mit dem Zaunpfahl ist. Nicht zuletzt aber auch das Zudecken sollte Zuschauern, die von Anfang an dabei sind, ein eindeutiges Zeichen sein. War es doch Dawson, der Joey in der ersten Staffel ebenfalls zudeckte, als er sich sicher war, dass er sich in sie verliebt hat. Und als wären zwei eindeutige Zeichen in einer einzigen Szene noch nicht genug, nutzt man ein typisches Element der ersten Staffel, indem man in schnellen Blenden aufzeigt, was die verschiedenen Charaktere alle machen. Dass in dieser Harmonie ausgerechnet ein alleine im Bett liegender und unverstanden die Decke anstarrender Dawson gezeigt wird, ist ein bewusst und überaus gekonnt eingesetzter Störfaktor dieser harmonischen Szene und reiht sich prompt in die Reihe der anderen beiden Hinweise auf künftige Entwicklungen ein, zeigt vor allen Dingen den schwelenden Konflikt auf.

Es ist eine ziemlich zweideutige Situation. Einerseits gönnt man Pacey das Glück, ebenso Joey, andererseits kann man sich aber auch nicht von der Gewohnheit trennen, dass Dawson und Joey seelenverwandt sind und eigentlich zusammengehören. Gestärkt wird dieser Konflikt beim Zuschauer durch das Gefühl einer gewißen Hinterhältigkeit von Pacey, der ja durch Dawson erst mit Joey direkt zu tun bekam und sie jetzt Dawson abspenstig macht. Es läuft wohl auf getrennte Fronten im Lager der Fans hinaus. Doch dieser Zwietracht tut der Serie gut. Dass Positives gleichermaßen Negatives mit sich bringt, ist die Würze, die der Serie eine Zeitlang fehlte und es wird Zeit, dass die konstante Schwarzmalerei der bisherigen dritten Staffel endet und neues beginnt.

Doch weiter in der Charakterbetrachtung: Henry gibt nicht auf und versucht sich erneut an Jen. Er soll zuletzt Glück haben und die Annäherung gelingt. Interessant ist dabei der Dialog zwischen Jen und Dawson bezüglich der abschreckenden Wirkung von Jens Zeit in New York. Wieder einmal ein klärendes Gespräch, auf das wir sehr lange gewartet haben, doch man hätte es sicherlich ausweiten können. Dass Henry in seinem Fanatismus die Vorgeschichte Jens unberührt lässt, ist absehbar, doch zumindestens erklärt Jens Unsicherheit ihr strikt ablehnendes Verhalten und zum Teil auch die Unsicherheiten der letzten Staffeln, sollte man denn davon ausgehen können, dass sie das gezielte Einbringen ihrer Vorgeschichte auch als Schutzschild benutzt hat.

Zuletzt natürlich auch noch die große Wiedervereinigung im Hause McPhee. Dass Jack und Andie eine Schicksalsgemeinschaft bilden, ist eine bekannte Tatsache, doch wirkt Andies plötzliches Drängen auf eine Rückkehr Jacks doch ein wenig überzogen. Letztlich ist das aber nur Mittel zum Zweck, um Jacks Verwurzelung in das Haus der Linleys aufzuzeigen. Vielleicht will man ihn aber auch nur aus dem Haus haben, weil Henry bald öfters im Hause zu Gast ist. Man weiß es nicht.

Insgesamt ist "Luftschlösser" zumindestens eine sehr gute Episode, endlich nach langer Zeit mal wieder. Wieder einmal lebt eine Episode von den Möglichkeiten, die sie lediglich eröffnet, nicht aber direkt ausnutzt, doch im Gegensatz zu "Tango für vier", wo wir auch schon Zeichen bekamen, hat diese Episode eine wesentlich charmantere, da indirekt und durch kleine Verschachtelungen gekennzeichnete Symbolik. Atmosphärische Bilder und eine Prise Humor runden die Gesamtkomposition ab.

Malte Kirchner

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