Review Staffel 1

Foto:

Als "Castle" im März 2009 bei ABC startete erwartete man nicht viel von der Serie. Die inhaltliche Prämisse klang zu sehr nach dem altbekannten Schema von zwei gegensätzlichen Ermittlern, die unter besonderen Umständen Kriminalfälle untersuchen. Davon gab und gibt es im TV schon viele Beispiele, besonders beliebt in der Mann-Frau-Kombination à la "Bones – Die Knochenjägerin" und "The Mentalist", denn hier lässt sich das übliche Procedural gut mit einer Portion zwischenmenschlicher Spannung verbinden. Auf den ersten Blick fällt "Castle" genau in diese Schublade, gibt man der Serie aber eine Chance hat sie doch vieles zu bieten, um den Zuschauer diese wenig einfallsreiche Grundkonstellation vergessen zu lassen.

"The New York Times praised the depths of my female characters."

Die wichtigste Zutat, die "Castle" zu Hauf besitzt, ist Charme, und diesen vor allem in Form seines Hauptdarstellers Nathan Fillion. Er ist die Idealbesetzung für den leicht überheblichen, egozentrischen, aber eigentlich doch herzensguten Rick Castle und haucht der auf dem Papier klischeehaften Rolle wunderbar vielschichtiges Leben ein. Es scheint, als sei sie nur für ihn entwickelt und mit dem Zusatz "lasst Nathan einfach sein Ding machen" versehen wurden. Aber man kann die Serie nicht nur auf ein Vehikel für Fillion reduzieren. Auch der restliche Cast ist wunderbar besetzt, vor allem Stana Katic als sein Konterpart Detective Kate Beckett ist eine Bereicherung für die TV-Landschaft. Besonders die Chemie zwischen den beiden Protagonisten stimmt ab der ersten Sekunde, der Zuschauer spürt förmlich die Funken zwischen ihnen fliegen, parallel zu den sarkastischen Wortgefechten, die sie sich liefern. Auch Susan Sullivan als Castles Mutter Martha Rogers, eine in die Jahre gekommene Broadway-Diva, bietet eine wunderbare Performance.

Das eigentlich Besondere der Serie ist aber, dass sie auf selbstbewusste Art und Weise das Genre der leichten Krimiserien auf seine wichtigsten Bestandteile reduziert, nämlich glaubhafte Charaktere und spritzige Dialoge. Sie steht damit in einer Reihe mit so traditionellen wie auch erfolgreichen Serien wie "Remington Steele" und "Das Model und der Schüffler", die mehr Screwball-Comedy als Krimiserien waren. Auch hier ist die Interaktion zwischen den Charakteren intelligent und unterhaltsam. Beim zweiten Schauen offenbaren sich kleine, feine Details am Rande, die das Sehvergnügen noch einmal ungemein steigern. Was den eigentlichen Bestandteil der traditionellen Mordaufklärung angeht, verzichtet man bewusst auf High-Tech-Schnick-Schnack, es gibt keine hochmodernen Labore und Computersimulationen, hier besteht die Detektivarbeit aus Laufarbeit von Tür zu Tür. Das gibt den Fällen eine große Realitätsnähe, soweit es in solch einem fiktiven Umfeld möglich ist. Kombiniert mit Becketts besonderen Fähigkeiten als Ermittlerin, ihrem Einfühlungsvermögen und ihrer Empathie, die immer dann zum Vorschein kommen, wenn sie mit den Opfern und Hinterbliebenen dieser zu tun hat, gelingt es der Serie oftmals sehr bewegend zu sein.

"I'm so used to you acting like a 12-year-old all of the time; it's kind of refreshing to see you as a father."

Was die Charaktere angeht, steht klar Rick Castle im Vordergrund. Von ihm sehen wir alle seine unterschiedlichen Facetten. Dabei bildet sein unbeschwertes, schelmisches, ja oftmals kindisches Verhalten unter seinen erwachsenen Kollegen, sei es im konstanten Schlagabtausch mit Beckett oder im Rumalbern mit Esposito (Jon Huertas) und Ryan (Seamus Dever), einen wunderbaren Gegensatz zum verantwortungsvollen, liebenden Vater für seine Tochter Alexis (Molly Quinn). Man kann der Serie zum Vorwurf machen, dass diese Seite von ihm zu aufgesetzt und perfekt ist, aber ich halte dem entgegen, dass man so aus seiner eindimensionalen Machofigur, die er gegenüber Beckett abgibt, einen vielschichtigen, sympathischen Charakter macht, den man als Zuschauer einfach lieben muss. Außerdem begeht die Serie nicht den Fehler und lässt ihn sich in unzählige Frauengeschichten stürzen, auch wenn er in der Grundprämisse seiner Figur klar so angelegt ist, aber indem man diese Flirtereien auf ein geringes Maß beschränkt, präsentiert man hier einen Mann, der zwar in der Lage wäre, viele Eroberungen zu tätigen, aber klug genug ist, dies nicht zu tun. Selbst als er sich in auf eine Affäre mit seiner Ex-Frau und Alexis Mutter einlässt, schafft mann es, ihn nicht als eindimensionalem Charmeur darzustellen. Er hat am Ende dieses Intermezzos, als er Meredith geschickt wieder aus seinem Leben herausbuggsiert vor allem die Interessen und Gefühle seiner Tochter im Sinn, und so schafft man es, die Balance nicht kippen zu lassen. Er ist ein großspuriger Angeber, hat aber gleichzeitig die Größe, seine Fehler einzugestehen und sich ehrlich zu entschuldigen. Nathan Fillion erweckt Richard Castle in all seinen Facetten glaubhaft zum Leben und bildet so das Herz der Serie.

Alle anderen Personen erschließen sich einem vor allem durch ihre Interaktion mit Castle, so erfahren wir von Beckett nur soviel, wie sie auch ihm preisgibt. Den tragischen Tod ihrer Mutter, den sie einerseits als Antrieb für ihre Arbeit nutzt, aber auch versucht, hinter sich zu lassen, erfährt man erst nach einiger Zeit. Wahrscheinlich versucht mann mit ihrer Hintergrundgeschichte einen roten Faden für den Verlauf der Serie zu schaffen, aber natürlich auch der Person Kate Beckett mehr Tiefe zu geben. Der Cliffhanger der 1. Staffel steht so auch damit im Zusammenhang, denn obwohl Kate Castle darum gebeten hat, die Finger vom Mordfall ihrer Mutter zu lassen, schnüffelt er natürlich in ihrer Vergangenheit herum. Wo sich dieser Konflikt hin entwickelt, muss die 2. Staffel zeigen.

"You guys are detectives. Detect."

Nach den ersten zehn Episoden dieser kurzen Staffel kann man als Fazit sagen, dass vieles schon sehr gut gelungen ist und die Serie in wirklich sehr unterhaltsam ist. Aber es gibt natürlich auch einige Schwächen. Mit dem klaren Fokus auf die Figur Rick Castle kann man die Serie bisher nicht als klassische Ensemble-Show bezeichnen, denn die sekundären Hauptcharaktere haben keine eigenen Handlungsbögen. So weiß man bisher noch nichts über die beiden Detectives Esposito und Ryan, ebenso wenig wie über den Captain Montgomery (Ruben Santiago-Hudson) und Gerichstmedizinerin Lanie Parish (Tamala Jones). In Zukunft muss man diesen Charakteren unbedingt mehr Tiefe verleihen und beim Geschichtenerzählen über den Tellerrand von Castle und Beckett hinausblicken. Da die Staffel aber nur zehn Folgen umfasst, ist dieses Manko bisher noch zu verzeihen. Außerdem steht im Ausgleich dazu, dass die Chemie zwischen allen Beteiligten des Casts, nicht nur die zwischen Fillion und Katic, außergewöhnlich harmonisch und stimmig ist. So glänzen Esposito und Ryan immerhin durch ihre pointierten Dialoge untereinander, und mit Castle und Beckett. Das lässt auf mehr hoffen und wenn die 2. Staffel dies einlöst, bin ich zufrieden.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Fälle, die bisher noch keinen vom Hocker hauen konnten. Zwar schaue ich diese Art von Serien nicht, um auf Hochspannungsniveau an allen Ecken und Enden überrascht zu werden, aber ein bisschen mehr Einfallsreichtum und Fantasie auf diesem Gebiet kann sicherlich nicht schaden. Bisher bewegt man sich doch noch sehr nach Schema F. Aber ebenso wie Castle und Beckett als Ermittlerteam, müssen wohl auch die Autoren und Produzenten rund um Serienerfinder Andrew W. Marlowe erst zu ihren Stärken und Schwächen finden und herausbekommen, was funktioniert und was nicht. Die Qualitätskurve der Serie zeigt jedenfalls steil nach oben und man hat den Eindruck, dass je weiter die Zeit voran schreitet, je mehr hat die Show zu sich selbst gefunden. Wenn man diesen Weg weitergeht, kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Man muss sicherlich auf lange Sicht sehen, wie man garantieren kann, dass Castle und Beckett glaubwürdig miteinander zusammenarbeiten, denn irgendwann ist der Nikki Heat Roman auch geschrieben und es besteht keinen Grund mehr, für Castles Verbleib bei der Polizei. Und natürlich muss man den richtigen Mittelweg finden, die zwischenmenschliche Spannung zwischen ihnen so weit wie möglich auzureizen, ohne sie zu schnell zu verheizen. Aber mit diesen Problemen muss man sich erst in Zukunft herum schlagen.

Fazit

"Castle" ist eine locker, leichte Krimiserie, die bisher jede Woche humorvolle und intelligente Unterhaltung bietet. Sicher ist sie nicht die Neuerfindung des Rades, bietet aber dem Zuschauer pointierte Dialoge, nicht unbedingt sehr spannende, dafür ans Herz gehende Fälle und ein wunderbares Duo, dem man nur zu gerne beim gegenseitigen Necken und Streiten zuschaut. Ich bin überzeugt davon, dass man auch in Zukunft mit einer glaubhaften und behutsamen Annäherung zwischen ihnen belohnt wird.

Cindy Scholz - myFanbase