Bewertung

Review: #4.07 Problemkind

Foto: Bryan Cranston, Breaking Bad - Copyright: 2011 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.
Bryan Cranston, Breaking Bad
© 2011 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.

Oh Hank, es ist so schön, dich wieder unter uns zu haben! Klar, wirklich weg warst du nie. Aber der unpassende Chauvi-Humor gepaart mit einem teils geradezu genialen Gespür für die Verbrecherjagd hat uns während deiner mitunter schmerzvoll anzusehenden Reha daheim doch sehr gefehlt. Nun aber bist du wieder auf den (wenn auch noch etwas wackligen) Beinen und sorgst inmitten eines schlechten Witzes nach dem anderen für den zweifellos größten Aufreger von #4.07 Problem Dog, wenn nicht sogar der gesamten bisherigen vierten Staffel. Wie haben wir dich doch vermisst!

Natürlich ist dieser Moment aus dramaturgischer Sicht ans Ende der Episode gesetzt worden, was aber keineswegs zur Folge hat, dass bis dahin kaum etwas Nennenswertes geschehen wäre. Schließlich wird man das Gefühl nicht los, als könnte das mit Jesse noch ein ganz schlimmes Ende nehmen, selbst wenn es Gus und Mike unter Umständen bereits gelungen ist, seinen Selbstzerstörungstrip zu stoppen. Denn Walter bürdet Jesse, der weiß Gott noch genug um die Ohren hat, mal so eben die Aufgabe auf, Gus zur Strecke zu bringen. Dann wäre da noch das Treffen von Gus mit dem Kartell, das eine mehr als bittere Erkenntnis mit sich bringt, und ein herzzerreißender Monolog Jesses bei einem NA-Meeting. Alles in allem ist #4.07 Problem Dog, auch weil es neben der großartigen Schlussszene noch mit sehr viel mehr aufwarten kann, die bisher beste Episode dieser Staffel.

Dabei beginnt sie mit einem bekannten Bild: Jesse hat an den Nachwirkungen seines Mordes an Gale zu nagen. Diesmal erinnert ihn ein First-Person-Shooter, den er spielt, an den letzten Augenblick, den Gale erleben durfte. Natürlich kann sich Jesse im Zuge dessen nur bedingt auf das Spielgeschehen konzentrieren und stirbt virtuell. Ob es nun aus Trotz ist, oder ob er versucht, sich virtuell abzuhärten, um mit der Realität besser umgehen zu können, ja vielleicht sogar sich etwas Mut holt für eine noch bevorstehende Bitte Walters, die er bereits kommen sieht, man weiß es nicht. Zumindest startet er das Spiel erneut. Christian Pfeiffer hätte seine helle Freude an der hier angedeuteten Kausalität.

"Call me if there's a problem. And please, just don't... don't tangle with anyone."

Als Nachbeben zur letzten Episode, in der Walter seinem Sohn Walter, Jr. unachtsamerweise ein teures Auto gekauft hat, muss Walter auf Drängen Skylers eben jenes zum Händler zurückbringen. Obwohl Walter, Jr. lediglich 17 Meilen fuhr, nimmt der Autohändler den Challenger nur zurück, wenn Walter und Co. auf 800 $ des ursprünglichen Kaufpreises verzichten. Nun kennt der Zuschauer Walter mittlerweile anscheinend teilweise besser als seine Frau es tut, denn derartige Affronts lässt er sich mittlerweile nur noch von Gus und dessen Gefolgschaft bieten. Statt das Auto zum Händler zu bringen, fährt Walter damit auf einen Parkplatz und testet, wie viele Doughnuts die Reifen eigentlich so hergeben. Es wären noch einige mehr gewesen, doch ein bis dahin sehr amüsierter Walter fährt den Challenger auf einen Parkblock und schafft es nicht, ihn von dort wieder weg zu bewegen. Die Lösung? Man zündet das Auto an, sieht sich aus sicherer Distanz den Feuerball an, zu dem es sich verwandelt, und ruft sichtlich gut gelaunt ein Taxiunternehmen ab, damit es ihn abholt (sehr schön: die Gemeinsamkeit mit der "KEN WINS"-Szene. Das meinte Skyler also mit ihrer eindringlichen Bitte an Walter, keine Szene zu machen.

"Wrong answer! That's what the kids call 'epic fail'."

Doch nicht Skyler muss sich darum kümmern, das von Walter verursachte Auto-Chaos zu beseitigen, sondern sein Anwalt Saul. Skyler hat ohnehin erst einmal alle Hände voll damit zu tun, sich etwas einfallen zu lassen, wie sie 7 Millionen $ jährlich waschen kann, nachdem der Autowaschsalon nur einen minimalen Bruchteil dessen tatsächlich an Profit abwerfen kann. Ob wirklich allein der Gedanke an Gus und wie dieser versucht, ihn zu töten, Walters Motiv für seine immer öfter verzweifelt bis schlichtweg nicht durchdacht wirkenden Taten ist? Walter scheint es zumindest so zu sehen und fragt Saul nach einem Hitman, um Gus zu erledigen, nachdem es ihm selbst bisher nicht gelungen ist. Saul erinnert Walter daraufhin sichtlich aufgebracht an seine Verbindung zu Mike und dass er alle zwielichtigen Gestalten über ihn kenne. Es ist gar nicht so lange her, da war Walter die Stimme die Vernunft, die Sauls waghalsige Ideen zurückpfeifen musste. Nun hat sich das Verhältnis um 180° gewendet und Walter beweist wieder einmal eindrucksvoll, dass er momentan komplett durch den Wind ist.

"Drop the sales pitch. I'll do it."

Viel interessanter an der Unterredung zwischen Walter und seinem Anwalt ist jedoch die geradezu spöttische Aufforderung Sauls, Walter solle sich mit seinem Anliegen doch einfach mal an seinen Partner (sprich: Jesse) wenden. Walter wird auf diese Art und Weise deutlich daran erinnert, dass sein (Vertrauens-)Verhältnis zu Jesse zurzeit nicht das beste ist und Jesse eher mit seinem Anwalt als mit seinem Geschäftspartner spricht. Dementsprechend hat Jesse Walter gegenüber die kurze Unterredung mit Gus aus der vergangenen Episode nicht erwähnt, als Gus ihm indirekt zu verstehen gab, dass er durchaus Potential besäße. Walter spricht also Jesse darauf an und erinnert ihn anhand zahlreicher illustrer Beispiele daran, dass jemand Gus zur Strecke bringen muss. Jesse durchschaut Walters Besuch schnell und bietet an, Gus zu töten, woraufhin Walter im Labor Rizin herstellt, das innerhalb von 36 Stunden nach Zugabe zum Tode führt. Die Menge ist zwar geringer als die, die damals bei dem Versuch verwendet wurde, Tuco zu töten, aber sie reicht laut Walter vollkommen aus.

Nun also auch noch mit dem Druck durch Walter ausgestattet, Gus schnellstmöglich zu töten, begibt sich Jesse wenige Zeit später zu einem NA-Meeting, um sich so einiges von der Seele zu reden. Und so erwähnt er auch, dass er kürzlich jemanden kaltblütig ermordet habe, nur dass er dabei weder Gale noch einen anderen Menschen erwähnt, sondern sein Beispiel auf einen "Problemhund" (damit wären wir bei der einmal wieder gelungenen Titelgebung dieser Episode) überträgt. Von den aufgebrachten Meetingteilnehmern wird er der Tierquälerei bezichtigt (wenn sie nur wüssten...), aber der Gruppenleiter versucht, alle daran zu erinnern, dass sie nicht (ver)urteilen sollen. Von Schuld komplett zerfressen, bricht Jesse zusammen und fragt, ob er sich allen Ernstes einfach akzeptieren solle, egal wie viele "Hunde" er tötet? Ob der Gruppenleiter sich damit zufrieden geben solle, dass er seine Tochter überfahren hat? Schließlich rutscht Jesse sogar noch raus, dass die eigentliche Motivation, den NA-Meetings beizuwohnen, die sei, den Teilnehmern Meth zu verkaufen.

"You wanna sweep the place before you bring in your guys?" - "I am the guy."

Es ist schon seltsam, aber irgendwie ist man Gus und Mike in Anbetracht solcher Szenen geradezu dankbar, dass sie versuchen, Jesse immer mehr in die Alltagsgeschäfte zu integrieren und ihm etwas zu tun geben, das ihn sowohl ablenkt als auch ihm zumindest kurzzeitig ein Gefühl von Genugtuung gibt, wenn er seine Sache ordentlich macht. Entsprechend steht man dem von Gus anberaumten Treffen mit Mitgliedern des Drogenkartells, bei dem er unter anderem auch von Jesse unterstützt wird, in dieser Hinsicht ungewohnt positiv gegenüber. Dabei gelingt es den "Breaking Bad"-Machern einmal wieder, mit simpelsten Mitteln eine ungeheure Spannung zu erzeugen, in dem Fall durch Jesse, seine Rizin-Zigarette und die Kaffeemaschine. Groß. Das Treffen von Gus mit Gaff, dem Einzigen, der überhaupt bereit ist, sich mit ihm zu unterhalten, läuft dabei auffällig kurz ab. Erst wird der Vorschlag von Gus ignoriert, bis Gaff schließlich ihm mitteilt, dass er ganz genau wisse, was das Kartell will, und die einzige offene Frage sei, ob Gus diese mit "ja" oder "nein" beantworten würde. Die Frage ist bewusst nebulös formuliert, der naheliegendste Gedanke wäre aber sicherlich, dass das Kartell weiterhin Walters Kopf will, womit ein Gegner, der die vergangenen Episoden höchstens mal im Hintergrund tätig war, nun wieder auf der Bildfläche auftaucht und weitere Brisanz hineinbringt. Aber wozu will das Kartell Walter tatsächlich noch? Bei den Cousins war das Interesse auch eher persönlicher Natur.

"What are Gustavo Fring's fingerprints doing in Gale Boetticher's apartment?"

Apropos Brisanz, damit wären wir nun wieder bei Hank, unserem Lieblingsdrogenfahnder. Erst geht er mit Walter, Jr. bei "Los Pollos Hermanos" essen, um der Spur im Gale-Mordfall nachzugehen, und bekommt dort durch einen Trick Gus' Fingerabdruck. Scheinbar nebenher wird Walter, Jr. von Gus ein Job angeboten, was für die Zukunft natürlich auch nicht ganz ohne sein kann. Schließlich trifft er sich mit seinen alten Kollegen Gomez und Merkert und äußert seinen Verdacht. Durch die Buchstaben und Zahlen auf der Serviette, die in Gales Wohnung gefunden hat, kann Hank in Erfahrung bringen, dass das die Typennummer zu einem Luftfiltersystem ist, das gut und gerne auch für ein Meth-Superlabor genutzt werden kann. Die Herstellerfirma dieses Systems ist ein deutsches Konglomerat, das auch am "Los Pollos Hermanos"-Franchise beteiligt ist. Gomez und Merkert sind erst äußerst skeptisch, auch weil Gus das DEA immer wieder großzügig unterstützt, aber am Ende holt Hank den eigentlichen Hammer raus: Gus' Fingerabdruck auf Hanks Trinkbecher wurde auch in Gales Wohnung gefunden! Wenn das nicht mal eine Enthüllung ist, die nicht nur Gomez und Merkert, sondern auch den Zuschauer mit offenem Mund zurücklässt. Hank ist Gus ganz dicht auf den Fersen und darf nach seiner tollen Vorarbeit nun auch noch auf die Unterstützung des DEA setzen. Dass Hank früher oder später Walter und insbesondere Jesse wieder verdächtig nahe kommt, war ja zu erwarten. Aber dass der sonst so vorsichtige Gus derart schlampig bzw. Hank so genial ist? Großartiger Twist.

Fazit

Am Ende hat die Schlussszene mit Hank natürlich allen anderen Momenten der Episode die Show gestohlen. Wenn man dann aber noch an Jesses Zusammenbruch beim NA-Meeting, Walters Anweisung an Jesse, die Spannung auf dem Kartelltreffen und Walters "joy ride" zurückdenkt, muss man einfach zu einem Schluss kommen: #4.07 Problem Dog ist die bisher beste Episode der vierten Staffel und steigert die Vorfreude auf den Rest der Staffel und die noch kommenden Ereignisse ins Unermessliche.

Andreas K. - myFanbase

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