Bewertung

Review: #4.02 Kaliber 38

Foto: Copyright: 2011 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.
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Benennt "Breaking Bad" einen Großteil der Episoden aus Staffel 4 nun nach Gegenständen, die früher oder später als Mordwaffe dienen? Der Staffelauftakt war nach dem Teppichmesser benannt, mit dem Gus Victor die Kehle durchgeschlitzt hatte und Episode zwei wiederum nach einer Pistole des Modells '38 Snub-Nose', mit der Walter eventuell im Laufe dieser Staffel dem ein oder anderen eine Kugel in den Kopf schießen könnte. Wenn ein Großteil der Titelgebung nach diesem Schema abläuft, kann man sich ja schon mal richtig auf #4.05 Shotgun freuen.

The never-ending party

Nachdem der Staffelauftakt von einer enormen Spannung geprägt war, geht #4.02 die Sache deutlich ruhiger an. Die Serie "Breaking Bad" fokussiert diesmal ihre weitere große Stärke, nämlich den Umgang mit ihren Charakteren. Besonders auf Jesses Gemütszustand wird eingegangen, denn es war klar, dass der Mord an Gale ihn nicht unberührt lässt. In der ersten Episode wurden diese Auswirkungen noch nicht angeschnitten, doch dafür wurde in dieser Folge umso intensiver deutlich, dass Jesse mit der momentanen Situation nicht wirklich zurechtzukommen scheint. Verständlich, denn einerseits plagt ihn ein schreckliches Gewissen bezüglich Gales Tod, andererseits muss er nun permanent um sein Leben fürchten.

Da ihm die Realität schwer zuzusetzen scheint, macht er das in seinen Augen einzig Richtige: er flieht aus ihr. Massenhafter Methkonsum und eine dreitägige Party sind die Folge, was nicht nur Jesse, sondern auch uns Zuschauer davon ablenken soll, wie es ihm wirklich geht, obwohl wir Zuschauer ja mittlerweile diese Art von Ablenkung von Jesse kennen. Nur wenige Momente holen Jesse in die Realität zurück, unter anderem die Szene, in der er auf Andrea trifft. Wir erfahren, dass er ihr in jener Nacht ein Geldkuvert in ihren Briefkasten geworfen hat, als Walter in der denkwürdigen "Run"-Szene aus #3.12 Halbe Sachen die Mörder von Andreas kleinem Bruder Tomas erschoss. Es war schön zu sehen, dass man die Beziehung zu Jesse und Andrea noch einmal thematisierte und offenbar auch zu einem zufriedenstellenden Abschluss brachte. Rührend waren auch Jesses Hoffnungen, dass Andreas Sohn Brock von dem Geld profitieren könnte und wenigstens ein Umzug in eine bessere Gegend die Wahrscheinlichkeit ein wenig erhöht, dass er nicht im Sumpf der Kriminalität und des Drogenkonsums versinkt. Irgendwo wird sich Jesse in diesem Moment wohl gewünscht haben, auf einer imaginären Fernbedienung den Rewind-Button zu betätigen und wieder an die Stelle zurückzuspulen, wo er die Wahl zwischen einem normalen oder einem kriminellen Leben hatte. Denn anders als bei Brook und Tomas, deren soziales Umfeld praktisch schon zu einer kriminellen Laufbahn einlädt, hätte Jesse, der ja aus einem relativ ordentlichen Elternhaus stammt, durchaus die Möglichkeit gehabt, nicht auf die schiefe Bahn zu geraten.

Doch nun ist Jesse eben dort gelandet und während Walter mit den daraus resultierenden Konsequenzen relativ gut umzugehen scheint, wird uns Zuschauern am Ende der Folge einmal mehr klar gemacht, dass Jesse dem Ganzen nicht gewachsen ist: Nachdem bereits alle anderen Partygäste gegangen sind, versucht Jesse verzweifelt, Skinny Pete und Badger zum Bleiben zu überreden. Doch sie gehen, womit Jesse das erste Mal seit langem wieder alleine in seinem Haus und ohne Ablenkung ist. In einer von Aaron Paul grandios gespielten Schlussszene sehen wir endlich, wie Jesses wirkliche Verfassung ist: Er dreht seine Musikanlage auf das Maximum, setzt sich direkt an eine der Boxen und fängt an zu weinen. Gänsehaut. Auch die laute Musik scheint es also nicht zu schaffen, sein Gewissen zu übertönen und seine Ängste wegzupusten. Die weitere Entwicklung von Jesses Verfassung wird in dieser Staffel noch ganz interessant zu beobachten sein.

"Thanks for the drink."

Während Jesse den Problemen also mehr oder weniger aus dem Weg zu gehen scheint und sich lieber Ablenkung sucht, ist Walter dabei, die Probleme zu beseitigen. Mit anderen Worten: Gus zu beseitigen. Es ist durchaus überraschend, dass Walter bereits jetzt Maßnahmen ergreift, um Gus zu töten, statt noch einige Zeit lang den mehr oder weniger loyalen Mitarbeiter zu mimen. Doch Walter dürfte klar sein, dass Gus für keine Kompromisse mehr zur Verfügung steht und dessen Teppichmesser nach wie vor nur noch Nanometer von dem seidenen Faden entfernt ist, an dem Jesses und Walters Leben hängen. Natürlich wäre es schwachsinnig zu glauben, dass es ein leichtes Spiel für Walter werde, Gus zu beseitigen. Denn auch Gus ist sich durchaus bewusst, welche Absichten Walter hat und setzt daher auf eine clevere, wenn auch simple Schutzmaßnahme: "You're never gonna see him [Gus] again", sagt Mike zu Walter.

Walters darauffolgende Aktion könnte man mit den Worten 'wenig durchdacht' und 'leichtsinnig' wohl am besten beschreiben. Denn hatte er wirklich geglaubt, er könne gemütlich in Gus' Anwesen marschieren und ihn dort erschießen? Nichtsdestotrotz waren es natürlich unglaublich spannende Sekunden, als sich Heisenberg (wohl gemerkt: Heisenberg – nicht Walter!!) in bester "Django"-Manier dem Grundstück nähert, ehe er durch einen Anruf selbst erfährt, wie schwachsinnig es doch war zu glauben, seinen Plan so einfach in die Tat umsetzen zu können. Mit einem simplen "Go home, Walter" wird ihm wohl klargeworden sein, dass er einen neuen Verbündeten braucht, um seinen Plan in die Tat umzusetzen: Mike.

Auch Mikes Entwicklung wird in dieser Staffel noch eine interessante Rolle spielen. Denn nach wie vor bleibt unklar, wie lange er Gus gegenüber noch loyal bleibt. Andeutungen, dass Mike eventuell auf Walters Seite steht, gab es auch in dieser Folge wieder – doch momentan scheint es bei Andeutungen zu bleiben. Zusammen mit Walter müssen wir nämlich feststellen, dass Mike nach wie vor hinter seiner Loyalität zu Gus steht. War es in der letzten Episode Gus’ grausamer Mord an Victor, der für einen echten Überraschungsmoment sorgte, war es in dieser Folge Mikes Reaktion auf Walters Angebot, mit seiner Hilfe Gus auszuschalten. Mike überlegt zwar eine kurze Zeit, schlägt Walter jedoch dann zu Boden, tritt einige Male auf ihn ein und verlässt daraufhin die Bar, in der sie sich getroffen hatten. Walter braucht nach wie vor Hilfe, doch bei Mike findet er sie nicht. Noch nicht, denn nach wie vor glaube ich fest daran, dass Mike früher oder später auf Walters Seite stehen wird. Bis dahin muss Walter nach neuen Möglichkeiten suchen, einen Mann zu töten, an den er nicht rankommt – und das wird eine ganz spannende Angelegenheit.

"They're rocks ..."

"They're minerals!"

Während man uns in der ersten Folge gerade einmal eine einzige Szene zwischen Marie und Hank bot, gab es in Episode zwei schon deutlich mehr Screentime für die beiden. Deutlich bleibt dabei nach wie vor, dass es Hank alles andere als leicht fällt, im wahrsten Sinne des Wortes Schritt für Schritt wieder ins normale Leben zurückzufinden. Weniger in physischer als in psychischer Hinsicht, denn obwohl Hank deutliche Fortschritte während der Physiotherapie macht, ist er in seinem Kopf wohl weiterhin nichts weiter als ein erbärmlicher Pflegefall. Besonders gelungen ist den Machern hierbei die Szene, in der Hank sich zusammen mit seinem Physiotherapeuten Schritt für Schritt Richtung Bett kämpft. Denn während man in den meisten anderen Serien hier mit szenenverkürzenden Schnitten gearbeitet hätte, halten die Macher jeden einzelnen der für Hank so qualvollen Schritte fest, tun auch uns Zuschauer einen erleichternden Gefallen, als sie Hank endlich wieder aufs Bett fallen lassen und anschließend hat man sich auch wie verrückt gefreut, für kurze Zeit einen glücklichen und stolzen Hank zu erleben. Da war sie nämlich wieder, diese intensive Empathie mit den Charakteren, wie sie fast nur „Breaking Bad“ zulässt. Diese findet man auch hinsichtlich des Charakters Marie, denn auch hier tut es einem irgendwie weh zu sehen, wie sehr sie sich ins Zeug legt, um ihrem Mann zu helfen und wie dieser sie regelmäßig zurückweist. Die Frage hier ist natürlich, wie lange Marie sich das noch gefallen lassen wird. Zumindest am Ende wurde bereits deutlich, dass Hanks Verhalten (herrlich: die Szene mit den „minerals“, nach deren hintergründigen Bedeutung ich mir noch immer nicht im Klaren bin) sie langsam aber sicher zur Weißglut bringt und es eventuell nicht mehr lange dauert, bis Marie zurückschlägt – und so wie wir den Charakter kennen, könnte das auf eine recht witzige Art und Weise vonstatten gehen. Generell hatten die Szenen mit Hank und Marie bereits jetzt zahlreiche witzige Momente und auch hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

Skyler hingegen versuchte in dieser Folge, wie Walter Nägel mit Köpfen zu machen und endlich die Autowaschanlage zu kaufen – stößt dabei jedoch auf Granit, in Form von Walters ehemaligem Arbeitgeber Bogdan, der sich dummerweise noch genau an Walter erinnern kann und Skyler daher den Kauf praktisch unmöglich macht: "20 Million Dollar ... that's the price for Walter White" ... da half dann auch Skylers herrliche Vorarbeit nichts, die amüsant mit anzuschauen war. Überhaupt war es ja eine ziemlich witzige Angelegenheit, wie Skyler auf die seriöseste Art und Weise versucht hat, eine Autowaschanlage zwecks Geldwäscherei zu erwerben. Es darf im Übrigen angezweifelt werden, dass sich Skyler so einfach abfertigen lässt und mittlerweile dürfte man ihr durchaus zutrauen, dass sie auch härtere Maßnahmen ergreifen wird, um den Erwerb der Autowaschanlage zu ermöglichen.

Fazit

Die vierte Staffel "Breaking Bad" ist und bleibt verdammt spannend. Obwohl die Episode uns inhaltlich so gut wie gar nicht weitergebracht hat, bleiben die einzelnen Geschichten weiterhin ungemein interessant und es ist nur wieder eine Frage der Zeit, bis sich die Ereignisse wohl überschlagen werden. Dafür hat die Serie von Vince Gilligan in dieser Folge auf eine ihrer großen Stärken gesetzt, nämlich nicht wirklich schnell, aber dafür verdammt gründlich zu erzählen, was auch hier wieder für zahlreiche intensive und grandios gespielte Momente gesorgt hat.

Summa summarum war #4.02 für "Breaking Bad"-Verhältnisse keine sonderlich herausragende Episode, aber doch wieder auf einem hohen qualitativen Niveau und deutlich entspannter anzuschauen als noch der Staffelauftakt.

Manuel H. - myFanbase

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