Bewertung

Review: #3.08 Familienbande

Ein bisschen Verschnaufpause musste einfach sein nach diesen actiongeladenen zwei Episoden (#3.06 Sunset und #3.07 One Minute) zuvor. Daher war es auch alles andere als verwunderlich, dass "Breaking Bad" einen Gang zurückschaltet, auch um wieder mehr den Fokus auf die zwischenmenschlichen Beziehungen zu legen.

"Actually, I'm great."

Man könnte vielleicht sagen, dass es dann doch ein sehr großer Zufall war, dass Jesse, als er auf seinen Kumpel Skinny Pete rauchend vor dem Krankenhaus wartet, hautnah die Einlieferung eines schwer verletzten Hank miterlebt. Andererseits macht es von der Chronologie her durchaus Sinn, und Zufälle gibt es eben manchmal. Jesses Reaktion darauf, am Ende regelrecht erleichtert, wirkt hingegen auf den ersten Blick deplatziert, und das nicht nur, weil Hank sich trotz alledem zu einem wahren Sympathieträger für den Zuschauer entwickelte. Aus Jesses Sicht war sie aber durchaus verständlich.

"It's as if I'm classical but you are more... jazz."

Nachdem Jesse nach Hanks Prügelattacke nun wieder wohlauf und voller Tatendrang ist, wird es Zeit, dass er wieder seinen Platz als Walters Partner einnimmt. Dementsprechend ist für Gale kein Platz mehr. Walters Versuch, Gale loszuwerden, erweckt eher den Eindruck, als würde gerade eine Liebesbeziehung beendet werden, inklusive dümmlicher Ausreden, peinlichen Pausen und denkbar unpassenden Vergleichen. Gale ist also fürs Erste weg vom Fenster. Aber ob wir ihn nun das letzte Mal sehen, darf bezweifelt werden. Gale ist viel zu undurchschaubar, um ihn einfach verschwinden zu lassen. Man traut ihm im Grunde alles zu, und genau das wird sich Vince Gilligan sicherlich noch zunutze machen. Dazu kommt, dass auch der Grund, weswegen Gale überhaupt Walters Partner war, noch nicht abschließend geklärt wurde. Ist Gale tatsächlich nur wegen seiner außerordentlichen Kenntnisse im Bereich der Chemie zu seiner neuen Berufung gekommen? Hat Gus ihn vielleicht als Maulwurf installiert, um mehr über Walter zu erfahren?

So oder so ist Gale nicht mehr Walters Laborpartner. Ersetzt wird er durch Jesse, der mit seinem kindischen Auftritt vor Gale und Walter nicht nur für eine ordentliche Portion an Humor sorgt und damit auch ein wenig die Spannung aus der Situation nimmt, sondern auch Gale entsprechend geschockt darüber hinterlässt, dass er allen Ernstes von jemandem ersetzt wurde, der einen auf den ersten Blick durch und durch unseriösen Eindruck erweckt. Walter möchte all die peinliche Berührtheit hinter sich haben und endlich mit dem Kochen von Meth beginnen, Jesse jedoch hat ihm noch eine Hiobsbotschaft zu übermitteln, denn Walter wusste bisher nichts von Hanks Aufeinandertreffen mit den zwei Cousins.

"It's their fault. He didn't have a gun."

Walter stürmt daraufhin natürlich in Richtung Krankenhaus, wo er auf Marie, Skyler, Walter, Jr. sowie Hanks Kollegen (unter ihnen natürlich auch Gomez) trifft. Der Schock sitzt bei allen entsprechend tief, verständlicherweise insbesondere bei Marie. Als sie dann auch noch erfährt, dass Hank nicht einmal eine Waffe zur Verteidigung bei sich hatte, da er kurz zuvor suspendiert wurde, brechen alle Dämme und die Schuldzuweisungen beginnen, angefangen bei Hanks Vorgesetztem über Gomez und schließlich sogar Walter. Ironischerweise wird ihr spätestens bei Letzterem nahe gelegt, dass sie nun aber übertreibe und Walter gar nichts dafür könne, obwohl er mit Sicherheit die größte Schuld an dem ganzen Schlamassel trägt. Aber das weiß eben der Zuschauer, Skyler und Co. wissen das nicht. Auch dieses Mal stiehlt Betsy Brandt den anderen ein wenig in der Szene die Show. Wie schön, dass nun auch sie zunehmend Platz zur Entfaltung erhält.

Es war einfach mal an der Zeit, ein wenig Familienidylle zurück zur Serie zu bringen, dafür bietet sich ein gemeinsamer Aufenthalt in einem Wartezimmer natürlich an. Und so kommt es zu zahlreichen Annäherungen, bis Marie am Ende passenderweise "We are all family" von sich gibt, als sie Hank zum ersten Mal besuchen dürfen. Bei Katastrophen wie diesen rückt selbst die Familie White näher zusammen. Selbst zwischen Skyler und Walter scheint sich die Beziehung zunehmend zu normalisieren, auch wenn sie ihm deutlich zu verstehen gibt, dass zu viel zerbrochen ist, um sie noch zu retten. Das hat die Szene zwischen ihr und Walter nach dessen Telefonat mit Jesse deutlich gezeigt, ohne dafür viele Worte zu verschwenden. Die Kunst besteht darin, durch kleine Gesten und Reaktionen mehr zu sagen als mit ellenlangen unnötigen Gesprächen. Diese Kunst beherrscht "Breaking Bad" seit der allerersten Episode. Dazu kommt die eindrucksvolle Szene rund um Walters Erzählung über seine OP in der Caféteria.

"Why isn't there anything cooking?"

Man könnte durchaus die Frage stellen, inwieweit es nötig war, Jesses infantiles Auftreten im Drogenlabor zu zeigen. Für viele hat es jedoch den Zweck erfüllt und nicht nur für Lacher gesorgt (insbesondere Jesse im vollgepumpten Overall war zum Brüllen), sondern auch die Gesamtstimmung der Episode ein wenig gelockert. Als Jesse Walter sichtlich gelangweilt schließlich anruft und vorschlägt, selbst mit dem Kochen zu beginnen, kommt es abermals zur altbekannten von Walter gewünschten Rollenverteilung, die höchstens auf dem Papier eine gleichgestellte Partnerschaft vorsieht, aber eigentlich Jesse zum Handlanger Walters degradiert. Doch Jesses größeres Problem scheint eher Gus' Mitarbeiter zu sein, der sichtlich irritiert ist, dass nicht gekocht wird und darüber hinaus auch noch Jesse in seiner neuesten Entdeckung, dem aufgeblasenen Overall, erwischt. Ob er Jesse (und evtl. auch Walter) gefährlich wird, wird in den kommenden Episoden klar werden. Bisher nimmt er lediglich eine beobachtende und prüfende Aufgabe ein, damit Walter und Jesse auch ihr wöchentliches Pensum schaffen. Viel gefährlicher jedoch ist Gus' Mitarbeiter jedoch wegen seiner Nähe zu Gus, denn dieser erscheint in dieser Episode in einem völlig anderen Licht.

Wobei "völlig anderes Licht" nun unter Umständen ein wenig übertrieben ist, denn Gus war bisher viel zu undurchsichtig, um sich über ihn ein abschließendes Urteil bilden zu können. Dennoch ist Gus als genialer Strippenzieher im Hintergrund bisher in dieser intensiven Form nicht aufgetreten. Jedes Mal, wenn in #3.08 I See You (ICU=Intensivstation, anyone?) Gus aus seiner Deckung heraus einen Schritt nach vorne tritt, ist das eine potentiell großartige Szene. Vor allem die Unterredung zwischen Walter und Gus inmitten einem Pulk von Polizisten darüber, dass Hank für Gus' Geschäft keinerlei Gefahr darstellt, war mehr als nur eindrucksvoll. Aber auch der gesamte Aufenthalt von Gus im Krankenhaus, um Walter zu signalisieren, dass er ihm immer und überall gefährlich werden kann, wenn er das nur möchte, und darüber hinaus Kontakte bis tief in die DEA hat, zeugt von der Genialität sowohl des Charakters als auch der Serie.

Der Höhepunkt von Gus' Schaffen in dieser Episode jedoch zwar zweifelsohne die Auseinandersetzung mit Juan Bolsa, seinem mexikanischen Partner. Dieser beschuldigt Gus berechtigterweise, die Cousins zu dem Angriff auf Hank angestiftet zu haben und dafür ihren Tod in Kauf genommen zu haben. Gus lässt also kurzerhand Bolsa und seine Männer töten, vielleicht tatsächlich von den "Federales", wie sie Bolsa bezeichnet, eventuell aber auch einfach nur durch von Gus beauftragte Söldner. In jedem Fall ist es erschreckend und faszinierend zugleich, wie groß die Reichweite von Gus ist. Wenn eines klar geworden ist, dann dass Gus absolut jedem gefährlich werden kann – auch Walter und Jesse.

"Burn in hell, you piece of shit."

Beide Cousins sind tot? In der Tat. Für den Cousin, der mit einem Kopfschuss niedergestreckt wurde, gab es selbstverständlich keine Hoffnung mehr, der andere jedoch hat überlegt, auch wenn ihm die durch Hanks Auto eingequetschten Unterschenkel amputiert werden mussten. Eine Möglichkeit wäre es gewesen, die Cousins bereits in der vergangenen Episode beide das Zeitliche segnen zu lassen, episch genug wäre die Szene gewesen. Aber wieso nicht ein letztes Mal möglichst furchterregend einen Cousin darstellen, wenn sich die Möglichkeit dazu eröffnet? Also lässt man Walter auf Drängen von Gomez und seinen Kollegen den verbleibenden Cousin besuchen, der sofort "Heisenberg" erkennt und wutentbrannt aus dem Bett in Richtung Tür kriecht. Als wäre es nicht genug, eine ehemals ungemein große Bedrohung Walters nun dabei zu beobachten, wie sie mit blutenden Beinstumpfen auf dem Boden kriecht, damit wird auch die Parallele zum Staffelauftakt hergestellt, wo man die Cousins zunächst auch kriechend kennenlernte. Was also der perfekte Abschluss für die Storyline um die Cousins werden könnte, wird er schließlich auch, denn der verbleibende Cousin stirbt kurze Zeit später – durch eine Spritze mit tödlichem Inhalt, die ihm von Mike verabreicht wurde. Wenn man auch nur zwinkerte, hätte man Mikes kleinen aber feinen Auftritt verpasst.

Fazit

Die Cousins sind tot, Hank ist außer Gefecht und Skyler scheint sich mit dem kriminellen Leben ihres Ehemannes abgefunden zu haben. Eigentlich sollte man meinen, dass Walter damit den Kopf aus der Schlinge gezogen hätte. Doch ein anfangs unscheinbarer Charakter hat sich zunehmend in den Vordergrund gespielt, der unberechenbarer und damit gefährlicher kaum sein könnte. Ob Gus Walter auch nach den ominösen drei Monaten in Frieden lässt oder ihn ebenso aus dem Weg räumt wie zahlreiche seiner Konkurrenten, wird abzuwarten sein. Auf jeden Fall hat sich Walter den definitiv Falschen ausgesucht, um erst seiner Verpflichtung nach 200 Pfund Meth pro Woche nicht nachzukommen und dann vollmundig die doppelte Menge für die kommende Woche zu versprechen und damit tief in seiner Schuld zu stehen.

Andreas K. - myFanbase

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