Bewertung

Review: #2.11 Muttermilch

Foto: Sarah Paulson, American Horror Story - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Sarah Paulson, American Horror Story
© Frank Ockenfels/FX

Das große Thema dieser Episode lautet zweifellos: mommy issues. Die Probleme mit Mama sind in der Film- und Serienwelt definitiv kein selten anzutreffendes Thema und prägen – ähnlich wie ihr Pendant, die daddy issues – unzählige Werke. Und damit kehren wir mal wieder zu Sigmund Freud zurück. Dessen Theorie des Ödipuskomplexes, der angeblich mit der Beziehung zur mütterlichen Brust beginnt, spielt in dieser Episode eine zentrale Rolle. Mütter, Kinder und Brüste – das sind die großen Themen von #2.11 Spilt Milk. Und abgesehen davon ist diese Folge eine der überzeugendsten dieser sonst so enttäuschenden Staffel.

"You'd be surprised how many men have mommy issues."

Mommy Issues #1: Bloody Face Junior. Prinzipiell ist es seine Überlebensstory, die diesmal erzählt wird, weshalb seine unglückselige Mutter Lana in den Mittelpunkt gerückt wird – ihre Flucht, ihr Mord, ihr unglaubliches Durchhaltevermögen. Sarah Paulson trägt diese Episode wirklich mühelos und ihr gelingt es, sämtliche dramaturgischen Schwächen in der Charakterzeichnung Lanas durch eine starke schauspielerische Leistung auszugleichen. Ihre Angst und ihre gleichzeitige Hoffnung, der Hölle Briarcliffs zu entfliehen, sind stets spürbar und so sind es wirklich ein paar sehr nervenaufreibende Sekunden, als Lana mit der Hilfe der Mutter Oberin an Thredson vorbei durch die Vordertür aus Briarcliff spaziert. Als sie im Taxi sitzt und dem entsetzten Thredson den Mittelfinger zeigt, kann man als Zuschauer nicht anders, als ein triumphierendes Ja! zu rufen.

Hierbei kommt natürlich auch die absolut großartige Inszenierung durch Regisseur Alfonso Gomez-Rejon zum Tragen, dessen spielerisch-künstlerischer Umgang mit Licht und Schatten, Nahaufnahme und Weitwinkel, Splitscreens und Musik viele Drehbuchmakel wettmacht. Lanas Flucht mit einem Splitscreen darzustellen erhöht die Spannung enorm, genauso wie die Kameraführung in Thredsons Wohnung die kontinuierliche Gefahr hervorragend zu transportieren weiß. In einem gelungenen Kammerspiel am flackernden Kaminfeuer spielen Sarah Paulson und Zachary Quinto nochmals stark auf und geben dieser perversen, und dennoch streckenweise faszinierenden Beziehung zwischen Lana und Thredson einen gebührenden Abschluss. Dass Lana den Abzug drückt und Oliver erschießt, ist nicht nur völlig nachvollziehbar, sondern schlicht und ergreifend das Einzige, was Lana in dieser Situation übrig bleibt.

Auch Lanas Entscheidung, das ungewollte Kind abtreiben zu lassen, kommt nicht überraschend und führt zu einer weiteren Horrorerfahrung für sie und den Zuschauer. Erneut ist Gomez-Rejons Inszenierung überaus wirksam: die grausamen Abtreibungswerkzeuge, die Enge des Zimmers, die furchtbare Prozedur, all das prasselt auf den Zuschauer nieder. Und so kann man verstehen, dass Lana zu diesem letzten Schritt einfach nicht fähig ist und das in ihr wachsende Baby nicht töten kann. Doch lieben kann sie das Kind auch nicht – und so bewahrheitet sich ihre Hoffnung, dem Töten ein Ende zu setzen, leider nicht, da sie einen künftigen Serienkiller zur Welt bringt.

"Our baby is special. People will listen to him. He's gonna change the way people think."

Womit wir zu Mommy Issues #2 kommen: Kit und Grace sind frischgebackene Eltern und deren Elternglück wird in nahezu übertriebenem Kitsch auch sehr deutlich gemacht. Ruhige Musik, warmes Licht, viele Nahaufnahmen. Es ist der Versuch, mit inszenatorischen Mitteln die Beziehung zwischen Kit und Grace so toll wie möglich zu gestalten, doch leider funktioniert das nicht. Dafür sind Kit und Grace zu schablonenhaft, dafür ist ihre Liebe viel zu theoretisch und nicht greifbar genug, weswegen auch Kits spontaner Heiratsantrag an Grace einfach völlig fehl am Platz wirkt. Leider ist auch die Alienstory weiterhin alles andere als überzeugend – gerade was die ganze "Unser Kind wird die Welt verändern"-Geschichte angeht, kann man eigentlich nur die Augen verdrehen, hat man diese Idee doch schon zu oft gesehen. Mal abgesehen davon, dass ein von Aliens erschaffenes Baby, dessen Mutter eine Axtmörderin und Vater ein unschuldig inhaftierter Tankwart ist, und das in einer Irrenanstalt geboren wurde, nicht unbedingt die Idealvoraussetzungen dafür hat, der Messias zu sein.

Ähnlich wie bei Lana ist man als Zuschauer aber trotzdem überaus erleichtert, als es Kit und Grace endlich geschafft haben, der tristen Anstalt zu entfliehen und vor Kits Haus aus dem Taxi steigen. Man kommt um den Gedanken nicht herum, dass der große Fauxpas dieser Staffel vielleicht einfach Briarcliff als Lokalität an sich ist, das düstere Grau, die immer gleichen Standorte, die in ihrem Horror- und Faszinationspotential nicht an das verfluchte Herrenhaus aus Staffel 1 herankommen. Im Nachhinein ist Briarcliff womöglich einfach zu plump. Nun aber sind die meisten Charaktere zum Glück raus aus der Anstalt, was aber selbstverständlich nicht das Ende der Probleme bedeutet. Denn: Alma lebt. Und hat ebenfalls ein Kind von Kit.

"I am more sane now as a madwoman than I ever was as the head of Briarcliff."

General Issues #3 hat diesmal Schwester Jude, die erfrischenderweise nur eine Nebenrolle einnimmt. In einer starken Szene zwischen Jude und Timothy wird klar, dass all die Bewunderung und Zuneigung, die Jude für den Monsignore hatte, nun purem Hass und purer Abscheu gewichen sind. Jude wird so zusehends zu einer Gefahr für Timothy, der nun als Leiter von Briarcliff agiert und Jude letztlich in ein Kellerloch wegsperrt. Doch das große Problem an der ganzen Sache ist die plötzliche Transformation des Monsignore Timothy von einem gebeutelten Mann, der in der vergangenen Folge in mehr oder weniger heldenhafter Manier noch den Teufel höchstpersönlich vom Geländer gestoßen hat, zu einem durchtriebenenen Bösewicht, der mit eiserner Hand über Briarcliff regiert. Timothy wird instrumentalisiert und ist jetzt nur deshalb der Antagonist, weil man nach Mary Eunice', Ardens und Thredsons Tod schlicht und ergreifend einen neuen Fiesling braucht. So schießt man die Figur endgültig ins Aus und offenbart gleichzeitig schwerwiegende Drehbuchmängel, die auch eine geniale Inszenierung seitens Gomez-Rejon nicht wettmachen können.

#2.11 Spilt Milk beweist insgesamt, dass die zweite Staffel von "American Horror Story" mit seinen Charakteren weitaus mehr hätte anfangen können, als es letztlich passiert ist. Mit dem Wegfall zweier Charaktere kann sich die Serie endlich einmal mehr auf ihre Prota- und Antagonisten konzentrieren und das menschliche Drama um einiges spannender und wirksamer gestalten als bisher. Dank vieler starker Dialogszenen, wie etwa zwischen Kit und Grace, Lana und Thredson, oder Jude und dem Monsignore, sowie der vorzüglichen Regiearbeit, ist die Episode weitaus überzeugender als sämtliche anderen dieser Staffel. Da fällt einem direkt wieder auf, was die Serie eigentlich alles könnte, wenn sie denn nur wollte.

Maria Gruber - myFanbase

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